Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
»Spinner« kann als Beleidigung mit einer besonderen persönlichen Bedeutung angesehen werden, zumal, wenn das Kind auch mit Psychologen und Psychiatern in Kontakt kommt und Medikamente nimmt. Das Kind stellt dann vielleicht seine eigene geistige Gesundheit infrage und macht sich Gedanken über eine mögliche künftige Geisteskrankheit.
Leider gilt in den heutigen Schulen das Wort »schwul« als eine schwere Beleidigung. Kinder mit Asperger-Syndrom könnten dazu neigen, diese Kommentare wörtlich zu nehmen und anzunehmen, sie könnten womöglich tatsächlich homosexuell sein.
Somit können ein paar Kommentare, mit denen das Kind verwirrt, geärgert oder in Rage versetzt werden soll, lebenslange Auswirkungen haben.
Manchmal kann es zum Spiel von Kindern gehören, dass sie andere ärgern und ihnen auch körperliche Unannehmlichkeiten bereiten,es aber aus einer gutmütigen Absicht heraus tun. Sie üben sich manchmal in harmlosen Balgereien oder ärgern andere, um gemeinsam Spaß zu haben. Normale Kinder erkennen schon im Alter von drei Jahren den Unterschied zwischen ernst gemeinten und harmlosen Kämpfen, die ohne bösen Hintergedanken ausgetragen werden. 1 Wenn beide Seiten lachen und Spaß haben, handelt es sich eigentlich nicht um Hänseln, doch kann es dem Kind mit Asperger-Syndrom schwer fallen, die eigentliche Absicht zu erkennen – ist sie friedlich oder nicht? Andere Kinder möchten dann vielleicht nicht mehr so gern mit einem Kind spielen, das zu schnell böse Absichten unterstellt.
Was ist Bullying?
Wenn man Freunde, Kollegen und Kinder fragt, wie sie Bullying definieren, erhält man ganz unterschiedliche Antworten. Was für den einen Bullying ist, ist für den anderen nur ein unterhaltsamer Spaß. [Eine mögliche Übersetzung von »Bullying« wäre »Schikane«. Eine andere wäre »Mobbing«, wobei dieser Begriff ursprünglich eher für das Arbeitsleben gebräuchlich war, heutzutage aber relativ unspezifisch verwendet wird. Da der Begriff »Bullying« bereits auch in deutschsprachiger Fachliteratur Eingang gefunden hat, lasse ich ihn hier ebenfalls unübersetzt.]
Wie kann man »Bullying« definieren?
Man sollte sich auf eine Definition einigen, damit man in solchen Fällen in sich konsistente Maßnahmen und Strategien entwickeln kann. Zum Bullying gehört sicher
ein Ungleichgewicht der Macht,
die Absicht, einem anderen zu schaden (physisch oder emotional) und
eine leidende Zielperson.
Gray definiert Bullying als »wiederholte, negative Handlungen mit negativer Absicht, die über längere Zeit gegen eine ausgesuchte Person gerichtet werden, wobei ein Ungleichgewicht der Macht (physisch, verbal, sozial und/oder emotional) innerhalb der Interaktion besteht.« 2
Meist schauen Gleichaltrige zu
Es gibt einige Orte und Umstände in der Schule, wo Bullying häufiger anzutreffen ist, etwa in Korridoren, im Bus zur Schule, im Sportunterricht und in Situationen, in denen ein solcher Vorfall kaum von einem Erwachsenen entdeckt wird. Bullying kann auch in der Nähe der Wohnung des Kindes durch dessen Nachbarskinder, durch Freunde der Familie oder ältere Geschwister erfolgen. Bullying geschieht meist in Anwesenheit von gleichaltrigen Zuschauern und kann verschiedene Formen annehmen. Am häufigsten sind verbale oder körperliche Konfrontationen und Einschüchterungen, Verletzungen und die Zerstörung von persönlichem Eigentum sowie herabwürdigende Gesten und Kommentare. Würden Erwachsene derartige Handlungen ausführen, würden sie sich strafbar machen bzw. würden von ihrem Arbeitgeber gemaßregelt oder entlassen werden.
Subtilere Formen der Schikane
Es gibt andere Arten von Bullying, die vielleicht etwas subtiler, aber in ihrer Wirkung dennoch verheerend sind.
So kann einem Kind in aller Öffentlichkeit etwas gestohlen werden, zum Beispiel eine Mütze, und es wird, wenn es versucht, sie zurückzugewinnen, gequält.
Oder man übt sich in übler Nachrede und verbreitet böswillig Gerüchte.
Oder man äußert demütigende Kommentare.
Oder man verwendet obszöne Gesten.
Eine weitere Form, die gegenüber Kindern mit Asperger-Syndrom häufig auftritt, ist die Ausgrenzung und der soziale Ausschluss aus einer Gruppe, etwa, indem man nicht mehr gemeinsam mit dem Kind essen geht, seine Fragen nicht mehr beantwortet, es bewusst als letzten in eine Mannschaft wählt oder es nicht zu einer Veranstaltung einlädt.
Während Eltern und Lehrer das Kind mit Asperger-Syndrom ermuntern, mit Gleichaltrigen zu interagieren,
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