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Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom

Titel: Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Attwood
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genauere Untersuchung der Antworten zeigte einige interessante Charakteristika 17 :
Die Kinder mit Asperger-Syndrom neigten dazu, auch solche Situationen als peinlich einzustufen, die normale Kinder nicht so empfanden.
Sie hatten Schwierigkeiten damit zu erklären, warum jemandem etwas peinlich war.
Auf intellektueller Ebene hatten sie keine Probleme, die Idee der Peinlichkeit zu erfassen, doch konnten sie dieses Konzept schwer auf neue Situationen anwenden.
    In der Praxis ist mir aufgefallen, dass es durchaus auch einige Kinder mit Asperger-Syndrom gibt, denen wenig peinlich ist und die kein Lampenfieber bei öffentlichen Auftritten kennen. Bei Beobachtungen sozialer Situationen zeigt sich, dass Menschen mit Asperger-Syndrom weniger Gesten als andere machen, die ein Zeichen dafür sind, dass ihnen etwas peinlich ist (zum Beispiel die Hand vor den Mund nehmen oder erröten 18 ).
Fauxpas-Test
    Simon Baron-Cohen und seine Kollegen haben einen Test zur Entdeckung von Fauxpas entwickelt, wobei sie eine Folge von Geschichten verwendeten. Sie haben dann untersucht, ob Kinder mit Asperger-Syndrom einen Fauxpas entdecken. 19 Ein Fauxpas wird definiert als »eine taktlose Bemerkung oder Handlung« und die Untersuchung bestätigte die Erfahrung vieler Eltern, dass, im Vergleich mit normalen Gleichaltrigen, Kinder mit Asperger-Syndrom Fauxpas seltener entdeckten und dass ihnen selbst im Alltag häufiger solche Fauxpas unterliefen.
Den Lehrer vor versammelter Klasse korrigieren
    Kinder im Alter von etwa acht Jahren können sich Kommentare und Kritik verkneifen, indem sie sich die emotionale Reaktion des Gegenübers vorstellen. Sie behalten also ihre Gedanken für sich, um ihren Freund nicht in Verlegenheit zu bringen. Die Person mit Asperger-Syndrom dagegen kann sehr geschickt darin sein, Fehler bei anderen zu entdecken und mitunter liegt ihr auch viel daran, diese Fehler auszusprechen. Diese Kommentare können dann leicht als kritisch und feindselig aufgefasst werden. Die Motivation war aber meist, dem anderen zu ermöglichen, sich zu verbessern und ihn über einen Fehler aufzuklären. Ich habe Teenager mit Asperger-Syndrom beobachtet, wie sie ihre Lehrer vor der versammelten Klasse kritisiert haben. Der Fehler des Lehrers kann dabei sehr banal sein, etwa ein kleiner Versprecher, doch ist für das Kind mit Asperger-Syndrom sein Wunsch, einen Fehler zu korrigieren, wichtiger, als auf die Gefühle des Lehrers Rücksicht zu nehmen.
Unsicherheit im Umgang mit anderen
    Die Unsicherheit darüber, was ein anderer denkt oder fühlt, kann zu einem allgemeinen Gefühl der Angst und Unsicherheit beitragen. Marc Fleisher ist ein talentierter Mathematiker und er ist, wie die meisten Menschen mit Asperger-Syndrom, sehr höflich und möchte nicht, dass andere seinetwegen verwirrt sind oder leiden. In seiner Autobiografie schrieb er: »Durch mein mangelndes Selbstvertrauen habe ich furchtbare Angst, andere, ohne es zu wollen, zu verärgern, indem ich etwas Falsches sage oder tue. Ich wünschte, ich könnte Gedanken lesen und dann dasRichtige tun. Mit anderen auszukommen, ist für mich schwieriger, als eine mathematische Gleichung zu lösen. Was bei einem Menschen funktioniert, funktioniert bei einem anderen wieder nicht. Menschen sagen nicht immer, was sie wirklich meinen und sie halten sich nicht an das, was sie sagen.« 20
Eine soziale Situation wird nicht so schnell erfasst
    Normale Menschen können ihre ToM-Fähigkeiten in sozialen Situationen schnell und effektiv einsetzen. Die Forschung zeigt, dass, obwohl Menschen mit Asperger-Syndrom durchaus über gut entwickelte ToM-Fähigkeiten verfügen können, die kognitive Verarbeitung der entsprechenden Hinweise und die Ausarbeitung einer passenden Reaktion bei ihnen länger dauern kann, als man erwartet und dass dafür manchmal mehr Anregungen und Ermunterungen erforderlich sind als bei anderen Menschen. Ihre Antworten auf Fragen, die ToM-Fähigkeiten erfordern, sind oft weniger spontan und intuitiv und dafür häufiger wörtlich, eigenwillig und irrelevant. 21
    Ein Jugendlicher mit Asperger-Syndrom, dessen Spezialinteresse Computer sind, sagte mir einmal, dass er den Eindruck hat, dass normale Menschen in sozialen Situationen in etwa so funktionieren, als wären sie ein Computer, der im sozialen Bereich auf Windows läuft und so dem Betriebssystem der sozialen Welt draußen perfekt angepasst ist, während jemand mit Asperger-Syndrom lediglich mit DOS arbeiten kann und sein Computer daher

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