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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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vielleicht sogar noch ein bisschen jünger. Es war eine ziemliche Sensation, das weiß ich noch. Denn dein Daddy ging eigentlich mit Sally Herman, als er eingezogen wurde. Aber als er aus dem Krieg zurückkehrte, war er verheiratet.«
    »Dann hat er Mom ja kaum gekannt.«
    »Dazu kann ich nichts sagen. Aber er hat sie geliebt. Meine Mom hat gesagt, sie hätte noch nie einen so verliebten Mann gesehen. Sie hat sich um Anja gekümmert.«
    »Wer?«
    »Meine Mom. Die ersten Monate, fast ein Jahr.«
    Meredith runzelte die Stirn. »Was soll das heißen?«
    »Sie war krank. Das wusstest du doch, oder? Ich glaube, sie war etwa ein Jahr bettlägerig, aber eines Tages ging es ihr besser. Meine Mom hatte gedacht, sie wären befreundet, aber du kennst ja Anja.«
    Das waren wirklich erstaunliche Neuigkeiten. Äußerst erstaunliche. Meredith konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter je ernsthaft krank gewesen war. »Sie war bettlägerig? Was hatte sie denn?« Welche Krankheit zwang eine Frau, ein Jahr im Bett zu verbringen? Und wieso ging es ihr plötzlich besser?
    »Das weiß ich nicht. Meine Mom hat nie viel darüber erzählt.«
    »Danke, Daisy.« Sie sah zu, wie Daisy ihr Büro verließ und die Tür hinter sich schloss.
    In den nächsten Stunden schaffte Meredith es zwar, sich ein wenig auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch ihre Gedanken schweiften immer wieder zu ihrer Mutter ab.
    Um fünf Uhr kapitulierte sie, verließ das Büro und sagte: »Daisy, könntest du den Termin im Lager übernehmen? Wenn es etwas Ernsteres ist, bin ich über Handy erreichbar. Ansonsten mache ich für heute Schluss.«
    »Ist gut, Meredith.«
    Als sie zehn Minuten später das Haus ihrer Eltern betrat, wehte ihr der Duft von frischgebackenem Brot entgegen. Ihre Mutter war in der Küche, hatte ihre große weiße Kittelschürze an und ihre Hände waren mehlbedeckt. Wie immer hatte sie solche Unmengen Brot gebacken, dass es für eine ganze Armee gereicht hätte. Die Gefriertruhe in der Garage zeugte davon.
    »Hey, Mom.«
    »Du kommst früh.«
    »Ich hatte wenig zu tun, daher dachte ich, ich komme her und packe noch einiges für dich zusammen. Wenn ich fertig bin, sollten wir beide mal prüfen, was weggegeben werden kann.«
    »Wenn du das möchtest.«
    »Interessiert dich das denn nicht?«
    »Nein.«
    Meredith wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. War ihrer Mutter denn gar nichts mehr wichtig? »Wo ist Nina?«
    »Sie hat gesagt, sie müsste ein paar Besorgungen machen, und ist vor einer Stunde verschwunden. Sie hat ihren Fotoapparat mitgenommen, daher …«
    »Weiß man nicht, wann sie zurück sein wird.«
    »Genau.« Die Mutter wandte sich wieder ihrem Teig zu.
    Meredith blieb noch eine Minute in der Küche, dann hängte sie ihre Jacke im Flur auf. Sie ging zum Arbeitszimmer ihres Vaters, hielt kurz vor der Tür jedoch inne. Das letzte Mal hatte sie die Sachen ihrer Mom zusammengepackt, ohne die Taschen der Kleider oder die Schubladen und Borde zu durchsuchen.
    Sie warf einen Blick zurück zur Küche, wo ihre Mutter immer noch Teig knetete, ging dann verstohlen zur Treppe und schlich sich hinauf ins Elternschlafzimmer.
    In dem großen begehbaren Schrank nahmen die schwarzen und grauen Kleider ihrer Mutter die gesamte rechte Seite ein. Fast alles war entweder aus weicher Merinowolle oder aufgerauter Baumwolle. Rollkragenpullover, Jacken, lange Röcke und weite, fließende Hosen. Nichts Modisches, Ausgefallenes oder Teures.
    Kleider zum Verstecken.
    Als ihr dieser Gedanke durch den Sinn fuhr, war sie selbst überrascht. Wenn sie genauer hingesehen hätte, wäre es ihr wohl schon früher aufgefallen.
    Das Märchen veränderte ihre Sichtweise auf alles, vor allem auf sie drei. Diesem Gedanken folgte ein weiterer: Was genau an ihrem Theaterstück – und an dem Märchen – hatte ihre Mom vor all den Jahren so aufgebracht? Früher hatte Meredith immer angenommen, dass der Zorn ihrer Mutter gegen sie gerichtet war, weil sie das Märchen unberechtigt in ein Theaterstück verwandelt hatte.
    Aber was, wenn ihr Zorn gar nicht Meredith oder Nina galt; was, wenn er nur eine Reaktion darauf war, ihre Worte gespielt zu sehen?
    Meredith trat weiter in den Schrank, bis sie vor der Kommode ihrer Mutter stand. Irgendwo darin befand sich etwas, das Aufschluss über ihre Mutter geben würde. Es konnte gar nicht anders sein. Jede Frau hatte etwas, das sie vor neugierigen Blicken versteckte.
    Sie schloss die Tür, bis sie das Schlafzimmer nur noch durch einen

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