Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
Langeweile hergekommen, ich muss etwas mit euch besprechen, mit dir und Vater. Sie verstehen schon», wandte er sich augenzwinkernd an Blessing, «schnöder Familienkram. Leider habe ich nicht viel Zeit, wenn ihr hier eine Viertelstunde pausieren könntet …»
Hegenau kümmerte sich nicht um das Geplänkel der Grootmanns und ihres ihm heute besonders servil erscheinenden Prokuristen, um «schnöden Familienkram» noch weniger. Das ging ihn nichts an, und davon wollte er auch nichts hören. Das Drama um die kleine Mommsen, wie sie hier noch genannt wurde, hatte sich längst bis in die Speicher herumgesprochen, darum würde es gehen. Er nahm in aller Seelenruhe weiter seine Stichproben. Als Quartiersmann war er sein eigener Herr und kannte seinen Wert, keiner hielt ihn auf oder trieb ihn an, wenn er es nicht wollte.
«Pausieren?» Ernsts Augenbrauen hoben sich, er sah seinen Vater eher ablehnend als fragend an. « Ich kann nicht pausieren. Hegenau nimmt jetzt die Proben, ich muss noch einige davon sehen. Diese Ladung ist für unser zukünftiges Kakaogeschäft von besonderer Bedeutung, und ich habe Blessing extra hergebeten. Das lässt sich nicht aufschieben, Felix. Nicht heute.»
«Das wird doch Herr Blessing sicher gerne für dich übernehmen.»
«Nein, ebendas geht nicht. Verzeihen Sie, Blessing, aber ich muss es so sagen: Bei diesen Qualitäten von der Goldküste fehlt ihm noch jede Erfahrung, Felix. Wir sind ja gerade hier, um das zu ändern. Außerdem», fügte er leichthin hinzu, «du weißt doch, ich habe später noch Verpflichtungen.»
So stiegen Felix und Friedrich Grootmann allein die Treppe hinunter. Das Wetter war mild, Friedrich hatte keine Eile, und auch Felix schien vergessen zu haben, dass er wenig Zeit hatte.
«Lass uns noch draußen bleiben.» Friedrich zeigte auf einen Stapel Eichenbretter neben einer zum Wasser hinunterführenden Treppe. «Falls du keine Sorge um deinen hellen Anzug hast. Wirklich elegant, aber, mit Verlaub, du siehst aus wie ein Dandy.»
Felix lachte. «Ich bin ein Dandy, Vater, ich hoffe doch sehr, dass man mir das nachsagt. Ich habe einen Ruf zu verlieren. Nun frag schon, ich lese die Frage in deinem Gesicht.»
«Frage?»
«Welcher Art die Verpflichtungen sind, die Ernst heute noch hat.»
«Das geht mich nichts an. Es sei denn, es geht um unsere Geschäfte, dann allerdings geht es mich unbedingt etwas an.» Friedrich Grootmann blinzelte in die Sonne, nahm den Bowler ab und schnippte ein imaginäres Stäubchen vom Hutband. «Sei nicht so verdammt schlau, Felix», sagte er, um eine leichte Tonlage bemüht. «Ich bin nicht neugierig wie ein altes Weib, und ich mache mir auch keine Gedanken wegen Ernst, aber wegen Mary. Sie war immer eine – wie soll ich es sagen? –, eine besondere Seele. Zart besaitet nennt man das wohl. In der letzten Zeit kommt sie mir mehr als nervös vor. Ich möchte nicht, dass ihre Ehe der Grund ist. Und ich möchte keinen Skandal.» Er blickte sich um, und als er sah, dass niemand in der Nähe müßig herumstand und große Ohren machte, fuhr er fort: «Ihr seid erwachsen und habt euer eigenes Leben. Unbenommen. Gleichwohl erwarte ich von euch als der nächsten Generation Grootmann, dass ihr die gesellschaftlichen Spielregeln einhaltet. Nicht aus Bigotterie, so weit kennst du mich, sondern weil das zu einem guten Leben gehört. Und, bevor du es aussprichst, auch zum guten Fortgang unserer Geschäfte. Eins geht nur mit dem anderen.»
Felix nickte und sah scheinbar versonnen einer kleinen Dampfbarkasse mit drei Schuten im Schlepptau nach. «Mary ist eine feine Person, ein bisschen mehr Freiraum täte ihr ganz sicher gut», sagte er, als der Schleppzug vorbeigedampft war. «Im Gegensatz zu dir verstehe ich nichts von der Ehe. Durchaus bedauerlich, ja, darin gebe ich Mama recht. Es soll aber in jeder Zweisamkeit Zeiten geben, die ein bisschen müder sind als andere Zeiten. Vergangene oder zukünftige. Warum setzt du nicht einfach auf die zukünftigen? Und wegen heute Abend? Da schaut er nur bei mir herein, das macht er doch ab und zu. Du müsstest es wissen. Wir spielen ein Blatt oder ein paar Runden Billard mit einigen Freunden. Das ist alles. Kein Grund zur Sorge, kein Anlass für einen Skandal. Männerabende.»
«Du würdest mich nicht belügen.»
«Doch, Vater, natürlich. Jederzeit.» Felix’ Lachen klang ein bisschen zu tief. «Hätte ich wie früher Kirschen im Garten unserer malenden Damen Cramer geklaut, würde ich auch wieder lügen.
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