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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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hochwertige Stücke. Manufakturwaren wurden für Arbeiterfamilien hergestellt, die sich keinen Schneider leisten konnten, deren Frauen mitverdienen mussten und keine Zeit für die aufwendige Näherei mit der Hand hatten.
    «Mehr war im Laternenlicht nicht auszumachen», referierte Ekhoff weiter. «Gründlich werden wir die Kleidung und das, was er bei sich hatte, untersuchen, wenn alles von der Anatomie hergeschickt wird. Müsste eigentlich längst passiert sein. Nein, Henningsen, bleiben Sie sitzen. Sie sind jetzt Kriminalpolizeiassistent, kein einfacher Schupo und kein Bote. Wenn die Sachen aus der Anatomie da sind, werden sie uns hierhergebracht. Was haben wir sonst noch?» Er nickte dem jungen Polizisten aufmunternd zu.
    «Leider wenig. Ja», wiederholte er mit trotzigem Nachdruck, « verdammt wenig. Bei der ersten nächtlichen Untersuchung fand sich auch nichts Graviertes. Keine Taschenuhr, kein Ring …»
    «Kein Ring, richtig, aber …» Ekhoff blätterte nun doch in seinen Notizen, «ja, hier ist es. Ein heller Streifen am Ringfinger seiner rechten Hand beweist, dass er einen Ring getragen hat. Wir wissen nur nicht, ob er ihn in dieser Nacht getragen und der Mörder ihn abgestreift oder er selbst ihn kurz vorher abgenommen hat.»
    «Der Mörder oder …»
    «Richtig. Der Mörder oder ein Dieb. Oder der Straßenkehrer, der ihn gefunden hat. Viele Möglichkeiten. Ein Gentleman trägt immer Handschuhe, wir haben keine gefunden, also hat sie jemand mitgenommen. Wahrscheinlich der Mörder. Aber warum? Womöglich sind sie in einem exklusiven Geschäft gefertigt und gekennzeichnet worden, wo man die Namen der Kunden kennt. Je länger wir die mageren Fakten zusammenkehren, umso mehr sieht es nach einem ganz normalen Raubmord mit einer ungewöhnlichen Waffe aus. Aber so einfach kommt es mir nicht vor.» Du hast es im Bauch, Ekhoff, hatte Jowinsky gesagt, vertrau auf deinen Bauch. «Jemand versucht, die Identität des Toten zu verschleiern. Wäre es nur um den Wert der fehlenden Sachen gegangen, wären zumindest auch die Schuhe und das Jackett verschwunden.»
    «Hm.» Das war heute Henningsens Lieblingsbeitrag. Es war ihm unangenehm, den Kommissar verbessern zu müssen. In einem liberalen Elternhaus aufgewachsen, war er dazu erzogen, sich eine eigene Meinung zu bilden und danach verantwortlich zu handeln. Dazu gehörte allerdings nicht, die Meinung von Eltern, Vorgesetzten und anderen Autoritäten in Frage zu stellen oder gar zu diskutieren. Oder den Beruf eines gewöhnlichen Kriminalpolizisten anzustreben! Dass dies einem Drahtseilakt gleichkam, war seinen Eltern nie in den Sinn gekommen. Inzwischen balancierte Henningsen ganz gut auf diesem schwankenden Seil. Kommissar Ekhoff kannte sich mit den Usancen des gehobenen Bürgertums oder gar des Adels nicht gut aus. Er hatte deren Sitten und Manieren erlernt wie englische Vokabeln, wie eine Gebrauchsanweisung. Trotz der strikten und der unumstößlichen Regeln, der ganz selbstverständlichen Verhaltenscodices, gab es in alltäglichen Dingen aber auch Spielraum, und je weiter oben in der gesellschaftlichen Hierarchie, umso lässiger und nonchalanter. «Das mit den Handschuhen muss man nicht so eng sehen», erklärte Henningsen behutsam. «Vor allem bei jüngeren Männern. Es war ja auch eine milde Nacht. Und für einen Raubmord …»
    «… hatte er zu viel Geld in der Tasche, klar. Nur deutsches Geld. Möglich, dass der Täter keine Zeit hatte, die Taschen gründlich zu durchsuchen, weil der Straßenkehrer oder sonst jemand kam. In der nächtlichen Stille ist der Unratkarren auf dem Pflaster gut zu hören.»
    «Eher sonst jemand. Der Straßenkehrer kam erst, als der Mann schon geraume Zeit tot war, oder? Hat der Arzt das nicht gesagt?»
    Ekhoff nickte. Er war mit seinen Gedanken schon einen Schritt weiter. «Die Schuhe», sagte er. «Die Schuhe waren auffallend sauber. Es hatte nicht geregnet, die Straßen sind trotzdem schmutzig, zumindest staubig. Wenn seine Schuhe sauber waren, ist er entweder mit einer Droschke gekommen, oder er hatte nur einen kurzen Weg zu gehen. Verdammt!» Er schob geräuschvoll den Stuhl zurück und begann, die Hände auf dem Rücken verschränkt, im Zimmer auf und ab zu gehen. «Wenn nicht bald jemand vermisst gemeldet wird, dessen Beschreibung auf unseren Toten passt, haben wir eine mühselige Suche vor uns.»
    Henningsen grinste sein schönstes Jungengrinsen. «Mühselig und eine echte Herausforderung. Ich mache den Watson, ganz

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