Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
bestellt. Ein wirklich feiner Herr.»
«Und als er nicht zum Tee kam, sind Sie in sein Zimmer gegangen und haben nachgesehen.»
«Ich hab geklopft. Erst nach dem dritten Mal hab ich nachgesehen. Er könnte ja krank sein, ein Schlagfluss – obwohl, so sieht er nicht aus, er ist ein schlanker junger Mann. Sehr gepflegt. Jedenfalls war er nicht da, und sein Bett war nicht benutzt.»
Als er auch am Vormittag nicht zurückkam und plötzlich alle Welt von einem Toten am Meßbergbrunnen sprach, fiel ihr Willem Schütt ein, der Nachbar ihrer Cousine, man kenne sich vom Kegeln, dann sei es nicht gleich so amtlich. «Und nun ist es doch amtlich.»
«Wie lange wohnt er schon bei Ihnen?»
«Das war jetzt die dritte Nacht.»
«Dann beschreiben Sie Ihren verlorenen Gast mal, Frau Kampe. Größe, Haarfarbe, Kleidung, Besonderheiten und so weiter. Fangen wir mit der Haarfarbe an.»
Paul Ekhoff fühlte sich seltsam leicht. Er zweifelte nicht mehr daran, dass der unbekannte Tote der vermisste Gast war und somit kein Unbekannter mehr. Er hatte nun einen Namen und wahrscheinlich auch eine Nationalität. Sein Gepäck lieferte weitere Hinweise, womöglich auf Bekanntschaften hier in der Stadt, auf Geschäfte, die er abwickeln wollte. Saubere oder unsaubere, da hatte Henningsen natürlich recht.
Der erste, der wichtigste Schritt war schnell gelungen, man brauchte in jedem Fall dieses Krümelchen Glück, das den Weg wies. Es sah ganz so aus, als sei es ihm nun schon begegnet.
«Er ist blond», begann Frau Kampe, als die Tür geöffnet wurde, ohne dass vorher ein Klopfen zu hören gewesen war. Schütt schob sich herein, Triumph im Gesicht, als sei ihm gerade ganz persönlich etwas Großes gelungen.
«Die ersten Bilder», sagte er. «Die aus der Anatomie sind noch nicht fertig, aber die vom Tatort am Brunnen.»
Er legte drei Bilder vor Ekhoff auf den Schreibtisch, Margret Kampe war schneller. Mit raschem Griff über den Tisch zog sie die Bilder zu sich heran und starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Das erste, das zweite, das dritte.
«Und?», fragten Ekhoff und Henningsen wie aus einem Mund, und Schütt fragte: «Ist das nun dein Gast? Sag doch was, Margret, du kannst den Herrn Kriminalkommissar nicht so lange warten lassen. Dir tut hier doch keiner was, wenn du nicht selbst …»
«… wenn ich nicht selbst? So ’n Quatsch. Der Mann ist tot, da darf man mal ’ne Minute stumm sein, oder? Ja», sie setzte sich sehr gerade, schob die Fotografien zurück und faltete aufseufzend die Hände im Schoß, «das ist er, mein Mr. Haggelow. Wirklich ein feiner Mensch, und dann so was. Das schöne Jackett ganz voller Blut. Geht nie mehr raus. Eine Schande ist das.»
* * *
Friedrich Grootmann blieb beim Rosenrondell stehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht geneigt. Die Morgensonne wärmte schon, nur im Schatten unter den Bäumen glitzerte noch Tau auf dem Rasen. Er hätte gerne den Namen der Sorte mit den wunderbaren weißen Blüten gewusst. Schönheit und Stille eines gepflegten Gartens waren ihm die beste Vorbereitung auf einen arbeitsreichen Tag. Kein Grund, das besonders zu bedenken oder zu erwähnen, ein repräsentables Haus und ein ebensolcher Garten gehörten für ihn so selbstverständlich zum Leben wie seine angesehene und wohlhabende Familie.
Er kannte sich in den Geheimnissen der Botanik nicht aus, gleichwohl kam es vor, dass er sich Gedanken über die Mehltau-Plage in einem Rosenbeet oder die Notwendigkeit einer besseren Belüftung der Glashäuser machte, allerdings nie lange, das war Sache des Gärtners – und Claires.
Friedrich Grootmann betrachtete seinen kleinen Park mit anderen Augen, seit er erlebt hatte, wie uralte Baumriesen nur um den Wert ihres Holzes willen gefällt wurden. Er habe das schmerzliche Ächzen und den Anblick ihres Falls nie vergessen, hatte er dem verblüfften Felix erklärt und lächelnd hinzugefügt, er möge diesen Beweis einer sentimentalen Schwäche und Zeichen seines Alters für sich behalten.
Sein Sohn hatte nur genickt, denn Friedrich Grootmann stand nicht im Ruf übergroßer Sensibilität, wenn es um Geschäfte oder Geschäftspartner ging. Dass ihn der nützliche Tod eines alten Baumes auf diese Weise berührte, erschien ihm ein Witz. Es war keiner gewesen.
Diese Szene fiel ihm ein, als sein Blick im Weitergehen auf die Blutbuche bei der Remise fiel, einen der schönsten Bäume auf seinem Besitz. Der hatte schon eine mächtige Krone getragen, als das
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