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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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sagte leichthin: «Ja, das wollte er wohl. Er müsste schon unterwegs sein. Emma wird es wissen – ich wusste in unserer Verlobungszeit immer, wo du warst.»
    Er ließ den Toast sinken, ignorierte den Klecks Marmelade, der über seinen Daumen rutschte, und sah sie verblüfft an. «Wirklich?»
    «Selbstverständlich. Es war ein ganzes Jahr, und du warst damals viel auf Reisen. Zum Glück nicht um Kap Hoorn, das hätte mich zu Tode geängstigt. Alle Bräute wollen wissen, wo ihr zukünftiger Ehemann sich herumtreibt. Ihr Männer habt es da leichter. Mädchen und Frauen werden ständig bewacht, man weiß immer, wo wir uns aufhalten – selten an interessanten Orten.»
    «Du erstaunst mich. Habe ich da einen sehnsüchtigen Unterton gehört?»
    «Nur in deiner Phantasie. Übrigens ist Valentin …»
    «Du wechselst das Thema.»
    «Stimmt. Die Zeit meiner Mädchenträume von nie gewagten Kapriolen ist viel zu lange vorbei, um noch darüber zu reden.»
    Er war wirklich überrascht und entschieden anderer Meinung. Zu insistieren war sinnlos, das wusste er, aber er nahm sich vor, ihre Bemerkung nicht zu vergessen.
    «Ich bin froh», fuhr sie fort, «dass unsere Töchter hier bei uns zufrieden sind.»
    Er verstand nun, worum es ging. Das Stichwort New York bot immer ein brisantes Thema, seit Amandus dort lebte. Der jüngste Sohn, ein Luftikus, um es freundlich auszudrücken. An harten Tagen hatte Friedrich ihn einen Betrüger genannt, der es nicht wert sei, seinen Namen zu tragen. Es war ihm egal, dass die Grootmanns nicht die einzige Familie waren, die ein schwarzes Schaf zu den ihren zählte. Er hatte immer geglaubt, in seiner Familie werde so etwas nicht passieren, es sei vor allem eine Frage der Erziehung und des guten Vorbilds. Inzwischen wusste er, es hätte schlimmer kommen können. Er vermisste seinen Sohn, was er kaum sich selbst, ganz gewiss nicht seiner Frau oder irgendjemand anderem eingestand. Neulich hatte er sich dabei ertappt, so etwas wie Respekt für Amandus zu empfinden. Als er den Jungen nach Chile schickte und der schon in New York das Schiff verließ, um dortzubleiben, war er sicher gewesen, das sei Amandus’ Ende und werde zu einem Makel auch seines eigenen guten Rufs werden. Er war vor einigen Jahren selbst dort gewesen und hatte auch die Elendsgestalten aus Europa gesehen, die vergeblich auf eine gute Zukunft gehofft hatten. In Chile wäre Amandus in einem Kontor in der Obhut der Grootmann’schen Geschäftspartner gewesen, beschützt, aber auch bewacht. Amandus hatte sich dagegen und für ein Leben ohne seine Familie entschieden. Ohne Schutz, ohne Bewachung.
    Wenigstens schien der Junge dort nicht an Spieltischen zu hocken. Er versuchte, sich eine Existenz aufzubauen, wenn auch in zweifelhafter Gesellschaft und in ebensolchem Gewerbe. Ein Grootmann machte kein Hafenlogierhaus samt Kneipe auf. Nach dem, was man ihm zugetragen hatte, war es eher eine Absteige für ihre Heuer versaufende Seeleute, Abenteurer und Gesindel aller Art. Und neuerdings betrieb Amandus auch noch dieses – wie hieß es? Ein Kinetoskop, richtig.
    Bewegte Bilder für den Einwurf einer Münze. Friedrich hielt das für eine Schnapsidee, ein Spielzeug fürs Amüsement. Andererseits hatte sich in den letzen Jahrzehnten manche ‹Spielerei› als unglaublicher Erfolg erwiesen, wenn er nur an das elektrische Licht dachte.
    Endlich spürte er die Stille. Sie konnten gut miteinander schweigen, aber dieses Schweigen lastete. Er hatte seinen Gedanken wieder Abwege erlaubt, sie waren bei Amandus gelandet, wie häufiger in letzter Zeit. Dabei war ihm gerade klargeworden, dass es heute Morgen eben nicht um Amandus ging. Heute ging es um Juliane. Und um Henrietta.
    Es klang behutsam, als er sagte: «Sie gleicht ihr auf beinahe erschreckende Weise, nicht wahr?»
    Lydia schwieg mit der Andeutung eines Nickens. Er hätte jetzt gerne einen Schluck Tee genommen, aber das hätte den Moment banal gemacht und zerstört.
    Dann nickte sie noch einmal, nachdrücklicher. «Ich sollte darüber glücklich sein», sagte sie. «Ich möchte es, aber ich kann es nicht. Es ist so dumm, ihr zu verübeln, dass Juliane … nun, dass sie uns verlassen musste.»
    «Vielleicht ist es vielmehr Sophus’ Tod, der dich deinen Verlust aufs Neue so schmerzlich fühlen lässt.» Er hörte selbst, wie gestelzt das klang.
    «Meinen Verlust? Es ist nicht nur ‹mein Verlust›», fuhr sie auf. «Juliane war erst sechsundzwanzig Jahre alt.»
    «Ja», er wog jedes Wort ab,

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