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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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phänomenal, und er schien immer zur Verfügung zu stehen.
    Unter den Angestellten von Grootmann & Sohn und benachbarter Handelshäuser, vom altgedienten Commis bis zum jüngsten Kontorboten, gingen die Meinungen über ihn allerdings auseinander. Besonders zum Thema Unterwürfigkeit, Korrektheit und Schaumschlägerei gab es einige böse Stimmen. Ungerecht war es jedoch, ihm zu unterstellen, er habe liebedienerisch eine Wohnung in der Nähe der Grootmann-Villa gemietet. Auf der Uhlenhorst, wie man von dem Stadtteil nördlich der Außenalster nach seiner früheren Insellage sprach, war er aufgewachsen. Allerdings nicht mit Alsterblick.
    Als Prokurist konnte er bei den Grootmanns nicht weiter aufsteigen. Stand ihm der Sinn nach Abenteuer oder fremden Küsten, konnte er sich immer noch für ein Handelshaus oder eine Dependance in Übersee entscheiden, dort wurden stets zuverlässige, in Handelsgeschäften versierte Männer mit guten Verbindungen gesucht. Er konnte sich auch Geld leihen und eine eigene Firma gründen, mit allem Risiko. Oder er suchte sich eine, für die kein Erbe in der Familie bereitstand. Am sichersten war es, wenn stattdessen eine schon ziemlich lange auf Kranz und Schleier wartende Tochter mit einem Ehemann zu versorgen war.
    Über Blessings Pläne und Vorlieben in dieser Hinsicht war nichts bekannt, was bei einem gesunden und erfolgreichen Mann seines Alters und Standes einerseits zu neugierigen Fragen Anlass gab, andererseits eine ganze Anzahl von Müttern des mittleren Bürgertums hoffen ließ. Es war wie überall auf der Welt – immer schien es zu viele Töchter und zu wenige passende Partien zu geben.
    Lydia Grootmann wollte nach dem Mädchen klingeln, um Blessing, den sie nicht als Gast, sondern immer noch nur als einen der vielen Angestellten des Handelshauses betrachtete, mit frischem Tee zu bedienen. Claire kam ihr zuvor. «Wenn du erlaubst, Mama. Ich fürchte, der Tee ist nicht mehr ganz heiß», sagte sie zu Blessing gewandt und füllte eine Tasse. «Aber da Sie ihn ohnedies rasch trinken müssen, wird es gerade recht sein.»
    «Sicher, sehr recht. Vielen Dank. Sie sollten sich keine Mühe machen, ich meine …»
    «Ich schenke nur eine Tasse Tee ein, das mache ich gern. Mühe hat bei uns das Personal. Sagen Sie mal, Herr Blessing, haben Sie auf dem Weg hierher von dem bedauernswerten Mordopfer vom Meßbergmarkt gehört? Ich gestehe, dass ich neugierig bin. Die Nachricht ist mit dem ersten Alsterdampfer gekommen, es heißt, jemand habe mit einem Messer …»
    «Claire!» Lydia Grootmann hatte ihre Tasse hart aufgesetzt. Dann lachte sie bemüht, schließlich saß ein fremder Mensch am Tisch, ein Angestellter, und wechselte zum gesellschaftlichen Plauderton. «Du überraschst mich. In der letzten Woche hast du Mijnheer Bakker beim Tee nach dem Diamantenraub an der Schelde ausgefragt, und nun diese gruselige Geschichte schon zum Frühstück. Kann es sein, dass du in der Zeitung die falschen Artikel liest?»
    «Ach, was ist da schon falsch oder richtig, Mama? Und wir sind doch jetzt unter uns, Herrn Blessing stört das Thema sicher nicht.»
    Der neigte verbindlich lächelnd den Kopf zur Dame des Hauses. «Ich kann Sie beruhigen, gnädige Frau, ich habe gar nichts darüber gehört.»
    «Wirklich?» Claires Blick verriet Zweifel. «Ich weide mich niemals an solchen Geschichten, wirklich nicht, aber ich bin keine dumme Gans und möchte wissen, was in der Stadt vorgeht und worüber man spricht.»
    Friedrich Grootmann brauchte wirklich nur wenige Minuten. Als er das Gartenzimmer wieder betrat, erhob sich Blessing, als habe er nur darauf gewartet (was er auch getan hatte).
    «Wenn Sie erlauben», sagte er und zog ein weißes Kuvert aus der Rocktasche, «ich habe hier einen Aufsatz, der Fräulein Grootmann interessieren könnte.»
    «Fragen Sie mich, ob Sie meiner Tochter ein Stück Zeitung geben dürfen?» Grootmann lächelte generös. «Claire ist längst erwachsen, lieber Blessing. Da ich davon ausgehe, dass Sie nichts Unschickliches in unser Haus tragen – bitte sehr.»
    «Es ist der Aufsatz aus der Times über die Lage in der Kapprovinz», wandte er sich an Claire. «Sie hatten neulich …»
    «Oh, wie aufmerksam», fiel sie ihm rasch ins Wort, nur wer sehr genau hinsah (wie ihre Mutter), erkannte die plötzliche leichte Röte auf ihren Wangen. «Dass Sie daran gedacht haben. Ich habe Herrn Blessing in der vergangenen Woche in der Straßenbahn getroffen, ganz zufällig, und wir kamen im

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