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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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resümierte der Polizeiassistent, «hatte keinen Besuch und redete beim Morgentee nur übers Wetter.»
    Redete? Ekhoff riss die Tür auf und rief: «Frau Kampe – wie haben Sie sich mit ihm verständigt? Sprach er Deutsch?»
    «Etwas», klang es aus der Küche zurück, «und ich gerade genug Englisch. Braucht man in meinem Beruf.»
    Und in Chicago, dachte Ekhoff, da hätte sie das auch gebraucht. Er war also tatsächlich Engländer gewesen.
    «Die Tasche.» In Henningsens Stimme war ein aufgeregtes Vibrieren. «Unter dem Tisch steht eine Reisetasche. Soll ich …?»
    «Noch nicht. Erst durchsuchen wir das Zimmer.»
    Das war schnell getan. Das Bett, die Jacketttaschen, der Nachttisch – außer einem fein gesäumten Taschentuch (ohne Monogramm) und einem englischen Roman von einem Autor namens Wilde, als Lesezeichen auf Seite 36 fungierte ein Fetzen Zeitungspapier, fand sich nichts. Womöglich waren die Kampe und ihr Mädchen nicht ganz so ehrbar, wie die Wirtin vorgab. Andererseits hatte sie, bis sie die Fotografie ihres toten Gastes sah, damit rechnen müssen, dass er zurückkam, fehlende Manschettenknöpfe oder Krawattennadeln hätte er gleich bemerkt.
    Endlich durfte Henningsen die Tasche unter dem Tisch hervorziehen und auf das Bett stellen. Sie war aus feinem, doch festem Leder und mit strapazierfähigem Stoff gefüttert, wie er auch für Kolonialgepäck verwendet wurde. Man sah ihr viele Reisen an, aber sie war gut gepflegt.
    «Er kann hier nicht viel vorgehabt haben», überlegte Henningsen. «Ein Gentleman und nur diese eine bescheidene Tasche? Kein geräumiger Koffer? Wo hat er seine Abendgarderobe? Oder Hemden und Anzüge für Geschäftsbesuche oder Nachmittagsvisiten.»
    «Tja», sagte Ekhoff spitz, «vielleicht war er gar kein Gentleman. Darüber machen wir uns später Gedanken, nun sehen wir uns erst mal den Inhalt an. Los, packen Sie aus. Eine Bombe wird kaum drin sein, hier ist nicht Chicago.»
    Leider barg die Tasche auch sonst keine Überraschungen. Ein Paar Schuhe, elegant und schwarz, durchaus für den Abend geeignet, aber weder Frack noch der neuerdings bei jüngeren Herren in Mode gekommene bequeme Smoking.
    «Was macht er mit schwarzen Schuhen ohne die dazu passende Garderobe?», murmelte Henningsen.
    Wäsche, zwei Hemden, Kragen und Manschetten, hellbraune, kaum getragene Lederhandschuhe, Krawatten, Socken, Taschentücher, ein cremefarbener Seidenschal, schließlich ein mittelgroßes Reise-Necessaire aus dunkelblau gefärbtem Straußenleder, innen hellbraun. Es enthielt die üblichen Dinge, Haarbürste und Kamm, Utensilien für die Maniküre, Zahnbürste und eine Dose mit nach Nelkenöl riechendem Zahnpulver, eine Schildpattdose barg ein wenig gebrauchtes, noch feuchtes Stück Seife von Pears. Von den drei Gläschen mit silbernen Schraubverschlüssen im gleichen Stil wie der Haarbürstengriff war eines leer, eines noch zur Hälfte mit einem weißen Pulver gefüllt – kein Kokain, stellte Ekhoff fest, sondern mit Lavendel leicht parfümierter Talkumpuder. Das dritte enthielt Brandy, es war kaum mehr als ein großer Schluck für Notfälle.
    Ganz unten in der Tasche lagen ein Skizzenblock und ein Notizheft, beide unbenutzt. Dann pfiff Henningsen durch die Zähne. «Briefpapier», erklärte er, «Bögen und Kuverts mit Namensaufdruck und Anschrift. Der Name ist aber nicht James Haggelow», er hielt einen Bogen am Fenster ins Licht. «Hier steht Thomas Winfield.»
    Winfield – der Name ließ etwas in Paul Ekhoff anklingen. Was es war, würde ihm später einfallen, da war er diesmal sicher.
    «Es könnte sein, dass ihm das Briefpapier nicht gehört oder einen falschen Namen trägt. Falls er ein Pseudonym benutzt.» Henningsen klang wie ein altkluges Kind, das einem Erwachsenen die Welt erklärt. «Manche Künstler haben so was. Und Verbrecher, klar. Sicher gibt es auch ein Etui für Visitenkarten.»
    Henningsens Arme tauchten wieder in die Tiefen der großen Tasche. Seine tastenden Finger wurden in einem ins Futter genähten Seitenfach fündig und zogen eine gerahmte Fotografie ans Licht. Sie zeigte ein lächelndes junges Paar in sommerlich heller Kleidung vor einer Rosenhecke. Der Mann war James Haggelow. Oder Thomas Winfield?
    «Winfield», rief Henningsen und klopfte aufgeregt mit der Spitze des Zeigefingers auf einen Schriftzug am unteren rechten Rand. Thomas und Henrietta Winfield , stand dort in schwarzer Tinte, zur Erinnerung, September 1893 .
    Ekhoff griff hastig noch einmal nach dem

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