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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Geschäfte, so er welche hatte. Hetty war dieser Sekretär immer geheimnisvoll erschienen. So viele Schubladen und Fächer.
    Auch Geheimfächer?
    Darauf hatte er wissend gelächelt, den Finger auf die Lippen gelegt und mit dem rechten Auge gezwinkert und nie vergessen, daran zu erinnern, dass diese Fächer, überhaupt der ganze Sekretär, für Kinderhände tabu waren.
    «Ein wunderbarer Raum», rief Emma und klatschte in die Hände.
    Und bevor Hetty sich über ihren Geschmack wundern konnte, sie hatte ihr eine Vorliebe für wirklich elegantes Interieur zugeschrieben, scheuchte Emma die beiden mit einer flatternden Handbewegung wieder hinaus. «Ich muss euch etwas zeigen. Das habt ihr beide sicher noch nicht gesehen. Nun tritt doch beiseite, Felix, ich möchte vorbei! Im nächsten Zimmer – schaut euch das an.»
    Wie die Dame des Hauses persönlich öffnete Emma die Tür zum letzten Zimmer des Anbaus und ließ Hetty und Felix mit einer einladenden Geste eintreten. Die bis auf einen Spalt geschlossenen Gardinen tauchten den Raum in diffuses grünes Licht. Noch bevor Hettys Augen sich richtig an den Dämmer gewöhnt hatten, stieß Felix einen leisen Pfiff aus, er klang weniger überrascht als bewundernd.
    Der Raum hatte etwa die Maße der Bibliothek, Hetty erinnerte sich nicht, was er früher beherbergt hatte. In der Mitte standen ein Tisch und zwei spartanisch wirkende Stühle, die Holzdielen waren staubig. Wer eintrat, achtete ohnedies nur auf die Wände. Die waren bis auf letzte verbliebene Lücken links der Tür von Gemälden bedeckt. Die meisten waren sehr schlicht oder gar nicht gerahmt, einige hatten Platz in älteren repräsentativen Rahmen bekommen. Auf den ersten Blick stammten alle Werke von diesen zeitgenössischen jungen Malern, die ihre Motive mit Vorliebe in der freien Natur suchten und beim etablierten Publikum weniger Beachtung als Verachtung fanden. In einem tiefen, gewiss extra für diesen Zweck gefertigten Regal an der rechten Wand standen weitere Bilder, jedes mit einem Baumwolltuch geschützt. Es mochten nur ein oder anderthalb Dutzend sein, die drei Etagen des Regals boten Platz für viele mehr.
    «So ein Heimlichtuer.» Felix schob die Vorhänge weiter auseinander und begann, die aufgehängten Bilder genauer zu prüfen. «Ich wusste, dass er einige der hiesigen Maler besucht hat. Aber was ich hier zwischen lokaler … Kleckserei sehe, lässt vermuten, Sophus war heimlich in Paris.»
    «Wie romantisch», zwitscherte Emma, «oder denkst du, er ist allein gereist?»
    Hetty starrte sprachlos auf die bunte Vielfalt der Bilder, an einem blieb ihr Blick hängen, es zeigte eine junge Frau mit einem Kind, einem zarten, vielleicht drei Jahre alten, blond gelockten Mädchen in einem Garten.
    Felix hatte Emmas Bemerkung wieder mit einem raschen strengen Blick pariert. «Wahrscheinlich war er nur in einer gutsortierten Galerie», korrigierte er seinen Verdacht. «In einer Hinsicht kann ich dich beruhigen, Hetty, auf diese Bilder wird unsere liebe Emma keine Option anmelden. Sie passen nicht in ihren zukünftigen Salon. Oder ins Boudoir. Ich verstehe nichts davon, natürlich, da muss man einen Kenner fragen. Ich kann dir jemanden vermitteln, am besten Lichtwark selbst, den umtriebigen Direktor unserer Kunsthalle. Er kennt alle diese Maler und fördert einige. Aber wirklich bedeutende Werte finden sich hier nicht, da bin ich recht sicher. Nicht bedeutend für heute. Was die Zukunft an Geschmack oder Geschmacksverirrungen produziert – wer kann das wissen. Aber nun ist es wirklich allerhöchste Zeit. Los, Emma, in die Kutsche. Bis zum Jungfernstieg nehme ich dich mit, dort kannst du in den Alsterdampfer umsteigen. Zu dieser Zeit wird er nicht überfüllt sein.»
    In Hettys Kopf schwirrten Bilder und Gedanken, ganze Satzfetzen, als sie in der Auffahrt stand und der davonrollenden Kutsche nachsah. Sie vergaß sogar zu winken, was aber einerlei war, weder Felix, der das Pferd lenken und in seiner Ungeduld zügeln musste, noch Emma wandten sich nach ihr um.
    Ihr Vater hatte nie erwähnt, dass er neuerdings Bilder sammelte. Auch nicht in den vielen Briefen, die sie im Lauf der Jahre und mit verlässlicher Regelmäßigkeit gewechselt hatten. Aber die Kunsthalle auf dem Hügel bei der Außenalster – als sie noch sehr klein war, hatte er sie ab und zu dorthin mitgenommen. Also hatte er sich schon immer für Malerei interessiert? Vielleicht hatte er all die Aquarelle, Ölbilder und Zeichnungen nur gekauft, um die

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