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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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überrascht und weniger kühl als gewöhnlich zu klingen. Natürlich hatte sie gelauscht, nachdem dieses behütete, im praktischen Leben unerfahrene junge Ding den Polizisten empfangen hatte, anstatt, wie es angemessen und klüger gewesen wäre, auf die Grootmanns zu verweisen. Zumindest hätte sie die Hausdame auffordern müssen zu bleiben. Aber sie hatte nur gesagt: «Danke, Frau Lindner», Limonade bestellt und war mit dem Polizisten, einem unerhört jungen Beamten mit neugierigen Augen, auf die Terrasse hinausgegangen. Die Besucherstühle im Entree wären für diese Gelegenheit mehr als ausreichend gewesen.
    «Kommen Sie, Frau Winfield, Sie sollten sich hinlegen. Ich begleite Sie hinauf, dann bringe ich Tee. Oder eine heiße Schokolade? – Frau Winfield. Bitte. Ich habe schon nach Herrn Grootmann geschickt. Es wird nicht lange dauern.»
    Henrietta sah zu ihr auf, vage, als lausche sie nur dem Klang einer Stimme nach, wie einem ungewohnten Geräusch. Sie stand auf, legte die Fotografie behutsam auf den Tisch und sagte mit klarer, tonloser Stimme: «Danke, Frau Lindner, sehr freundlich.» Dann drehte sie sich um, ging über die Terrasse, die zwei Stufen hinunter und über den Rasen. Im Halbschatten unter der Robinie legte sie sich ins Gras und breitete die Arme weit aus, sie blickte hinauf in das vor dem verhangenen Himmel flirrende kleinblättrige Laub und die letzten welken Blütentrauben, dann schloss sie die Augen und die Welt aus.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 5
    Freitag
    P aul Ekhoff zog die Haustür ins Schloss, blickte mit hochgezogenen Schultern die Straße hinab, als gelte es, feindliches Terrain zu sondieren, und machte sich auf den Weg.
    Drei Tage. Und sie hatten nichts erreicht, als die Identität des Toten herauszufinden. Das war nur Glück gewesen. Kein Verdienst. Niemand hatte in jener Nacht etwas gesehen, niemand wusste etwas über die Geschäfte des Toten, warum er in Hamburg gewesen war, warum in dieser Pension. Diesmal kostete es Ekhoff besonders viel Kraft und Zuversicht, daran zu glauben, dass noch etwas geschehen werde, sich noch ein Hinweis fand, ein Zeuge, ein Zufall, der Erhellendes zutage förderte. So etwas passierte häufiger, als allgemein angenommen wurde. Und war oft genug der entscheidende Faktor, der Stein, der alles ins Rollen brachte.
    Die einzige Person, die etwas über den Toten wusste, möglicherweise auch etwas über seine Pläne und Geschäfte, lag mit einem Nervenfieber in der Grootmann’schen Villa an der Außenalster, unerreichbar für die Polizei. Nervenfieber. Er kannte solche ‹Krankheiten› als Schliche und Ausreden zur Genüge. Trotzdem bezweifelte er nicht, dass Henrietta Winfield kaum bei klarem Verstand und keinesfalls in der Lage war, Fragen zu beantworten, nicht einmal, sie zu hören oder gar zu begreifen.
    Die Grootmanns waren über Thomas Winfields Anwesenheit in Hamburg und die unpassende Wahl seines Aufenthalts überrascht und konsterniert, über die Umstände seines Todes entsetzt. Also wüssten sie auch nichts über seine Pläne in der Stadt. Überhaupt habe man ihn nur flüchtig gekannt. So hatte es Friedrich Grootmann als Familienoberhaupt erklärt.
    Ekhoff fröstelte, mitten im August und trotz des dunklen, für den Sommer zu warmen Anzugs. Martha hatte ihn prüfend angesehen, als er in der engen Küche am Tisch gesessen, an seinem Malzkaffee genippt und aus dem Fenster gestarrt hatte. Kein Wort an die Kinder oder an seine Frau, kein Blick in die Zeitung. Das war ihm selbst erst aufgefallen, als sie ihm zum zweiten Mal die Tasse füllte und ihn auf diese bestimmte Weise ansah, die er nie deuten konnte.
    Er fröstelte wieder nur, weil er in den letzten beiden Nächten schlecht geschlafen hatte. Für gewöhnlich schlief er rasch wieder ein, wenn er einmal aufgewacht war. Die Dunkelheit und Marthas ruhiger Atem wiegten ihn in Sicherheit, ein besseres Schlafmittel gab es für ihn nicht.
    Nun war es anders gewesen. Nie im Traum, aber gleich, wenn er erwachte und ins Dunkel starrte, tauchten die Bilder wieder auf. Die junge Mrs. Winfield. Hetty. Wie sie ihn trotz der missbilligenden Blicke der Hausdame auf die Terrasse führte wie einen Gast aus ihren Kreisen. Das kleine Gesicht des Mädchens mit der großen Taftschleife. Dann ihr Gesicht, als sie den Sinn seiner Worte begriff. Als es versteinerte.
    Er war gerade in eine Straße der City eingebogen, die von hohen Geschäftshäusern gesäumt war, als er abrupt stehen blieb. Die Leute hasteten in

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