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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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obwohl man darüber natürlich nicht spricht, besonders in Gegenwart von Damen. Wenn ich meinem klugen Bruder zuhöre – wie man allenthalben sagt, ist er ein exzellenter Jurist, der alle Schlichen und Finten beherrscht, um seine Gegner schachmatt zu setzen –, solltest du dich vielleicht auch vor ihm in Acht nehmen.»
    «Danke, Emma, vielen Dank!» Felix’ Lachen klang unfroh. «Ich fürchte, unsere Cousine braucht in diesen Tagen keine solcher Proben deines Humors. Du musst Emma verzeihen, Hetty, als Jüngste in einer großen Familie ist sie verwöhnt.»
    «Stimmt, Hetty, du musst mir verzeihen. So machen es immer alle, wie soll nur ein ernsthafter Mensch aus mir werden? Das hier», als sei inzwischen über nichts anderes gesprochen worden, wandte Emma sich wieder dem Gemälde zu, das sie gerade so eingehend betrachtet hatte, «diese italienische Landschaft – ich denke, es ist Neapel – ist ein wirklich hübsches Bild. Altmodisch, aber stimmungsvoll. Die zarten Gelb- und Grüntöne passen genau zu den Möbeln, die ich mir für meinen zukünftigen Salon vorstelle. Natürlich muss man es erst schätzen lassen, überhaupt prüfen, ob es eine Kopie oder das Original ist. Aber wenn du es verkaufen willst, Hetty – du wirst doch einiges oder gar alles verkaufen? –, dann bewerbe ich mich als Erste um dieses Gemälde.»
    «Emma!» Felix stöhnte gequält. «Du bist unmöglich. Und sehr taktlos.»
    «Schon wieder?» Emmas Gesicht verzog sich in zweifelhafter Zerknirschtheit, und Hetty entschied sich für ein Lächeln. Felix mochte stöhnen, Emma mochte taktlos sein – beides tat ihr an diesem Morgen gut. Beides nahm ihr die Fremdheit. Sie verhielten sich nicht wie gut erzogene, zuerst auf die Etikette achtende Gäste, sondern wie Verwandte. Wie nahe Verwandte. Genau das war es, was sie an diesem verwirrenden Morgen brauchte. Und bis Thomas kam. Zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich am richtigen Platz.
    «Macht nichts», sagte sie ein bisschen zu munter und hörte selbst, dass es trotzdem echt war. «Macht gar nichts, Emma. Ich glaube nicht, dass ich es verkaufen werde, es hat meine ganze Kindheit begleitet, die gruseligen Geschichten von Pompejis Untergang eingeschlossen. Meine Eltern haben es von ihrer Hochzeitsreise mitgebracht. Falls ich mich doch davon trenne, wende ich mich zuerst an dich. Dann bleibt es in der Familie.»
    «Na, wunderbar!» Auch Felix hatte sich erhoben und das Bild begutachtet, nur flüchtig, seine Miene verriet keine Begeisterung. «Du bist eine wahrhaft milde Seele. Hüte dich umso mehr vor den Überzeugungskünsten meiner kleinen Schwester. Die sind schon jetzt legendär.» Er zog liebevoll an einer blonden Strähne, die Emmas in kunstvoller Unordnung gehaltener Frisur entkommen war.
    «Touché», sagte die leichthin, und er: «Es wird Zeit für uns, ich müsste längst in der Kanzlei sein. Denkst du, dein Mädchen ist stark genug, mir mit deinem Gepäck zu helfen, Hetty?»
    «Schon? Noch ein paar Minuten, Felix.» Emma war plötzlich ganz das bettelnde Fräulein. «Auf ein paar Minuten kommt es doch nicht an, das sagst du selbst immer. Ich möchte mir so gerne rasch das Haus ansehen. Es ist ein so hübsches Haus.»
    «Bitte, Emma! Weder sind wir dazu eingeladen, noch ist es der passende Zeitpunkt. Wir sollten …»
    «Nein, Felix, es ist gut.» Die Vorstellung, wieder allein zu sein, in diesem zugleich fremden und vertrauten Haus voller Erinnerungen und unbeantworteter Fragen, ließ Hetty frösteln. «Ich habe überhaupt nichts dagegen. Im Gegenteil, ich begleite dich gern, Emma. Ich bin auch lange nicht mehr hier gewesen, und gestern», sie lächelte scheu, als schäme sie sich der Unsicherheit ihrer Gefühle, «mochte ich mich noch nicht umsehen.»
    Sie hatte nicht gewusst, was sie mehr fürchtete, die Verlassenheit der Räume oder dass sie ihn plötzlich vor sich sah, in seinem Sessel sitzen oder von seinem Spaziergang durch den Garten hereinkommen. Natürlich war das Unsinn, aber sie war zu erschöpft gewesen, sich solchen Bildern und Gedanken zu verweigern.
    «Wie könnte ein Gentleman so reizenden Damen widerstehen», stimmte Felix, gleichwohl zögernd, zu. «Aber ich schlage einen Kompromiss vor: Emma verhält sich mit deiner Erlaubnis indiskret und sieht sich um, während ich mit dem Mädchen das Gepäck die Treppe hinauftrage. Der Schrankkoffer ist von so bescheidener Größe, er verdient kaum die Bezeichnung. So lange gebe ich dir Zeit, Emma, wenn du mit mir in der

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