Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
üblich, ja. Aber Eifer schadet einzig, wenn er blind ist. Sie haben sich beeilt, Ihre Pflicht zu tun und schnell die richtige Person zu verhören, na gut, zu befragen. Das war gesellschaftlich ungeschickt, aber darum kann Polizeiarbeit sich nicht ständig und in jedem Fall kümmern. Zauderei arbeitet nur dem Feind in die Hände. Lassen Sie sich nicht einreden, Sie seien schuld an diesem Fieber der empfindsamen jungen Dame, Ekhoff, das ist papperlapapp. Es wäre auch passiert, wenn der Kaiser persönlich dabei gewesen wäre. Ganz ohne Feingefühl geht es natürlich trotzdem nicht, das muss man von Fall zu Fall abwägen. Wenn wir jedes Mal Porzellan zerschlagen … das wäre fatal, versteht sich.»
Damit klopfte er Ekhoff einmal knapp auf die Schulter und eilte mit langen Schritten zu seinen Begleitern.
Ekhoff sah ihnen nach, wie sie zum Treppenhaus abbogen, und lauschte den dreifachen Schritten auf den Stufen nach. Er hatte mit allem gerechnet – aber nicht mit einem solchen Wohlwollen. Einer unserer Tüchtigsten, hatte der Polizeirat den wartenden Herren zugerufen, es hatte durch den langen Flur bis ins Treppenhaus gehallt.
Nun schwitzte er doch, allerdings vor Erleichterung. Er hatte gelogen, und er hatte es richtig gemacht. Alles richtig gemacht. Er fühlte die Hitze des Triumphs bis unter die Haarwurzeln. Alles richtig gemacht. Wenn er nicht aufpasste, glaubte er spätestens übermorgen selbst, was er gerade erzählt hatte. Und? Wäre das schlimm? Nur praktisch.
Tatsächlich hatte Martha ihm erst am Abend nach dem fatalen Besuch in Mommsens Haus von dem abenteuerlichen Ausstieg aus der Englandfähre erzählt. Es amüsierte die Klatschmäuler in ganz Altona. Die waren immer noch Marthas beste und schnellste Quelle. Hamburg hatte die Geschichte erst erreicht, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass diese junge Winfield die Witwe des Mordopfers vom Meßberg war. Das war ein sattes Paket von Neuigkeiten, die braven Leuten ganz wunderbar die Nackenhaare sträubten.
Martha hatte nicht gefragt, wie es gewesen war, nach all den Jahren wieder Mommsens Villa zu betreten, auch nicht, ob man in Mrs. Winfield noch die kleine Hetty erkenne. Oder ob die in ihm Paul erkannt hatte, den Jungen vom Fluss. Sie fragte ihn nie nach seiner Arbeit, sie wusste, dass er über das meiste nicht reden durfte, auch nicht mit seiner Ehefrau. Und sie wusste, wenn der Tag zu Ende war und sie in der Dunkelheit nebeneinanderlagen, tat er es doch. Am Abend nach dem fatalen Besuch bei Henrietta Winfield hatte er länger als gewöhnlich gebraucht, bis er sprach. Sie hatte gewartet und doch nur wenig erfahren, nur dass er dort gewesen war, wie es seine Aufgabe war, dass er einen Fehler gemacht hatte und Mrs. Winfield nun wohl sehr krank sei.
Mrs. Winfield. Nicht Hetty. Das reichte ihr.
Sie hatte ihren Kopf an seine Schulter gelegt und ihre Hand auf sein Herz.
* * *
Es hatte ein bisschen gedauert, bis Hetty richtig verstanden hatte, was die drei Grootmanns, ihr Onkel und ihre Cousins, ihr zu erklären versuchten. Auch Lydia war dabei gewesen, sie hatte mit unbewegtem Gesicht geschwiegen. Die Schwierigkeit des Verstehens mochte einerseits daran gelegen haben, dass Onkel Friedrich und Felix, heute die Wortführer, ziemlich herumdrechselten, andererseits daran, dass sie selbst es nicht gewohnt war, über Geld zu reden. Bis zu ihrer Heirat hatte sie ihr Taschengeld gehabt, alle Ausgaben, die darüber hinausgingen, hatte Marline Siddons übernommen. Sie hatte in England das Guthaben verwaltet, das Hetty durch ihren Vater zur Verfügung stand. Sophus Mommsen war stets großzügig gewesen.
Eigentlich wäre der Rest bei ihrer Heirat wie auch ihre Mitgift in Thomas’ Verantwortung übergegangen. Aber das Geld war verbraucht gewesen. Eine beachtliche, von Papa tüchtig aufgestockte Summe hatten zuletzt die neue Garderobe und die Komplettierung ihrer Aussteuer erfordert, die ihr als junger Ehefrau zustand – Geschirr, Silber, Tisch- und Bettwäsche, das Übliche eben, aber auch manches Besondere für die Hochzeitsreise. Tatsächlich hatte Marline einen erklecklichen Rest des Guthabens diskret zurückgehalten und Hetty erst kurz vor ihrer eigenen Übersiedlung in die Türkei gegeben. Nur ein kleines Sicherheitspolster, hatte sie leichthin erklärt. Am besten bleibe es ihr Geheimnis, Ehemänner müssten nicht alles wissen, besonders wenn es um Geld gehe. Damals hatte Hetty das befremdlich gefunden, nun war sie dankbar für Marlines kluge
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