Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
das. Ekhoff hielt ihn für einen Schnösel, aber das eine schloss das andere nicht immer aus.
Den dritten, einen um eine Generation jüngeren Herrn, kannte Ekhoff nicht. Er folgte mit zwei Schritten Abstand, hinterließ einen Hauch, kaum mehr als die Ahnung eines sehr teuren Rasierwassers und sah schlecht gelaunt aus.
Ekhoff hatte den Kopf zum Gruß gebeugt, die Herren waren in ein Gespräch vertieft und hatten ihn nicht beachtet. Er wandte sich zum Gehen, da hörte er seinen Namen rufen und blieb stehen. Jetzt musste er wachsam sein.
«Ekhoff, da ich Sie gerade treffe.» Dr. Roscher war die wenigen Schritte zurückgekommen und sah seinen jüngsten Kriminalkommissar aufmerksam an. «Ich wollte Sie zu einem Zwischenrapport rufen lassen. Heute Nachmittag. Nun können wir das gleich hier erledigen, nicht sehr fein im Korridor, aber mein Kalender ist dieser Tage enorm gefüllt. Überfüllt würde ich sagen. Wirklich enorm. Dort.»
Er zeigte auf eine flache Nische vor einem der Fenster und eilte schon voraus. Der Polizeirat war ein Mann von Anfang vierzig, Schnurrbart, Zwicker, schon sehr hohe Stirn, stets makellos gekleidet, voller Ideen für die Polizei und ihre Modernisierung. Seit er vor zweieinhalb Jahren vom Vertreter des Oberstaatsanwaltes zum Polizeirat für die Kriminal- und die Politische Polizei aufgestiegen war, herrschte Unruhe im Stadthaus. Roscher reformierte. Er hatte sich bei Polizeibehörden in halb Europa umgesehen, was zunächst teuer gewesen war, dafür aber manche Fehlinvestition ersparte.
«Sie sind sehr jung für die immense Verantwortung, die Ihr Posten verlangt, Ekhoff», begann Dr. Roscher. «Leider sind Sie im Fall Winfield noch nicht weit gekommen. Eine vertrackte Sache. Wäre der Mann nicht mit einer der guten hanseatischen Familien verwandt – nun, ich will da nichts gesagt haben. Bei uns wird jeder Mord gründlich verfolgt. Jeder. Ich will Sie nur daran erinnern, dass wir dringend Ergebnisse haben müssen. Das wissen Sie selbst, trotzdem, Tempo, lieber Ekhoff. Tempo. Wenn Sie für Ihre Abteilung mehr Männer brauchen, wird sich das irgendwie einrichten lassen. Sie sollten unbedingt die Vigilanz-Offizianten noch einmal instruieren, die Männer hören eine Menge, wenn sie in den Kneipen und auf den Plätzen hocken und die Ohren spitzen. Nein, lassen Sie nur», winkte er ab, als Ekhoff anhob zu sprechen, «ich bin in Eile, Sie sehen ja, die Herren warten. Strengen Sie sich weiter an, dann wird es sich fügen. Das ist eine alte Erfahrung. Fleiß, höchste Wachsamkeit, immer gepaart mit einer exzellenten Ausbildung. Auf die Bildung wird immer noch zu wenig Wert gelegt. Lernenlernenlernen, nur das bringt voran. Auch wenn man längst einen Posten hat. Und Phantasie – die wird enorm unterschätzt. Keine Spinnerei, das versteht sich, sondern die Phantasie eines klaren lebendigen Geistes. Wer Phantasie hat, erkennt mehr als die Stumpfsinnigen. Was nützt die ganze teure Reform von oben, wenn’s weiter unten verpufft. Tja, was wollte ich noch sagen?»
Der graubärtige Anwalt trommelte zwei Nischen weiter mit den Fingern auf das Fensterbrett und wippte mit demonstrativer Ungeduld einmal auf den Fußspitzen auf und ab, der dritte Mann sah grimmig auf seine Taschenuhr.
«Komme sofort, meine Herren», rief Roscher munter hinüber, «eine halbe Minute noch. Dieser junge Mann gehört zu unseren Tüchtigsten und hat einen brisanten Fall zu bearbeiten. Jetzt weiß ich, was ich noch anmerken wollte, Ekhoff. Fabelhaft, wie rasch Sie die Gattin des armen Winfield gefunden haben. Das hat uns ein bisschen Luft verschafft, obwohl die Tätersuche nicht wie gewünscht vorangeht. Wieso wussten Sie, dass die eine Mommsen ist? Beste Familie, aber den alten Herrn kannte in Hamburg doch kaum jemand.»
Ekhoff schwitzte nicht, ihm war kalt. Nun musste er lügen, und zwar gut. Nah genug bei der Wahrheit, um sich später richtig zu erinnern.
«Es war kein Verdienst, Herr Polizeirat, mehr ein Zufall. Ich hatte just an dem Tag gehört, eine Mrs. Winfield sei ganz spektakulär von der Englandfähre geklettert. Es hieß auch, diese Mrs. Winfield ist die einzige Tochter des gerade verstorbenen Herrn Mommsen, und den habe ich als Junge gekannt. Ich bin in der Gegend aufgewachsen und habe mir als Schüler in seinem Garten ein Taschengeld verdient. Er war immer sehr freundlich. Trotzdem hätte ich natürlich zuerst die Familie benachrichtigen müssen, die Grootmanns, anstatt gleich …»
«Ach was. Das ist so
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