Ein Gebet für die Verdammten
geschlafen.«
»Na gut. Um auf meine Frage von vorhin zurückzukommen, von etwaigen Feinden, die Abt Ultán hatte, weißt du nichts?«
»Das habe ich nicht gesagt«, meinte er hochnäsig. »Ich habe gesagt, seine einzigen Feinde waren Feinde des Glaubens. Als ich hörte, daß Muirchertach von Connacht mit der Mordtat in Verbindung gebracht wird, hat mich das nicht gewundert.«
Hellhörig geworden hob Fidelma den Kopf.
»Tatsächlich? Das hat dich nicht gewundert?«
»Er ist seit Jahren Abt Ultán mit Drohungen gekommen.«
»Drohungen? In welcher Form?«
»Er hat im Namen der Familie seiner Frau Wiedergutmachung verlangt. Sühnegeld für den Tod der Schwester seiner Frau. Zehn
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wollte er, weil sie eine Dichterin war.«
Eindringlich sah ihn Fidelma an.
»Wurde diese Summe über einen Brehon gefordert?«
Einen Augenblick war Bruder Drón verwirrt. Etwas zögerlich bestätigte er dann: »Natürlich.«
»Wenn jemand über einen Brehon eine Wiedergutmachung fordert, kann das schwerlich als Drohung bezeichnet werden. Dennoch hast du gesagt, man sei Ultán mit Drohungen gekommen. Inwiefern wurde die Forderung, die den gesetzlichen Weg ging, von ihm als Drohung empfunden? Das mußt du mir erklären.«
»Es war der ganze Hergang der Dinge. Die Schwester von Muirchertachs Frau war ein Mädchen namens Searc. Sie war Dichterin, sonst hätte man nicht zehn
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als Sühnegeld verlangt. Die Situation war ganz einfach folgende: Wir hatten im Kloster Cill Ria einen jungen Mönch, der auch Dichter war. Bischof Ultán hatte ihm gestattet, an einer Zusammenkunftder Barden in Ard Macha teilzunehmen. Dort lernte er diese Searc aus Connacht kennen. Das Mädchen umgarnte ihn mit weiblicher List, und auf seinem Heimweg nach Cill Ria folgte sie ihm einer Sirene gleich und versuchte ihn zu verlocken und in sein Verhängnis zu stürzen.«
Fidelma lauschte Bruder Dróns Darstellung, ohne sich eine Regung anmerken zu lassen.
»Abt Ultán beschloß, den jungen Mann, Senach hieß er, in sichere Gefilde zu schaffen und brachte ihn auf einem Schiff nach Gallien unter. Er wußte dort von einem frommen Haus, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Franken zu bekehren, und dafür junge Mitglieder für die Bruderschaft suchte. Das Unglück wollte es, daß das Schiff dort nie ankam; Gerüchten zufolge wurde es von fränkischen Piraten überfallen, die alle an Bord umbrachten oder in die Sklaverei verschleppten.«
Die Geschichte war im wesentlichen die gleiche, wie Fidelma sie schon von Muirchertach gehört hatte. Nur hinsichtlich der Motivation der Protagonisten gab es unterschiedliche Sichtweisen.
»Was Abt Ultán angeht, so ist die Geschichte damit zu Ende?«
Bruder Drón schüttelte den Kopf. »Nach einer Weile erschien bei uns ein offizieller Bote des Muirchertach von Connacht. Durch ihn erfuhren wir, daß besagte Searc die Schwester von Muirchertachs Frau war.«
»Vorher war euch das nicht bekannt? Und wie weiter?«
»Dieser Bote …«
»Entsinnst du dich noch, wie der hieß?« unterbrach ihn Eadulf.
»Selbstverständlich. Es war der heutige Abt Augaire.«
»Augaire? Wie meinst du das, ›der heutige Abt Augaire‹?« wollte Eadulf wissen.
Bruder Drón schniefte verächtlich. »Damals war er Bruder Augaire. Sein heutiges Amt hat er sich nur durch den Einfluß von Muirchertach gesichert, in dessen Namen er bei uns vorsprach.«
»Augaire kam also in die Abtei Cill Ria. Vermutlich begleitete er den Brehon?«
»Ja. Aber Augaire war derjenige, der die Forderungen stellte. Er erklärte, das Mädchen hätte Selbstmord begangen und er hätte es mit eigenen Augen gesehen. Abt Ultán entgegnete, das würde nur beweisen, daß das Böse in dem Geschöpf steckte. Wer Hand an sich legt, für den gibt es in dieser Welt keine Vergebung.«
»Hoffentlich wenigstens in der nächsten«, murmelte Eadulf vor sich hin.
Bruder Drón strafte ihn mit einem wütenden Blick, doch Fidelma griff rasch ein: »Was genau hat Augaire noch gesagt?«
»Er wüßte von Muirchertach, daß Searc, das Mädchen, von Senachs Tod erfahren und sich daraufhin das Leben genommen hätte. Das aber ist, wie schon gesagt, ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, auch vom Gesetz her«, fügte er trotzig hinzu und hoffte, Eadulf damit einen Seitenhieb zu verpassen.
Fidelma verzog mißmutig das Gesicht. Es stimmte, daß Selbstmord in der Rechtsprechung als Totschlag innerhalb der Blutsverwandtschaft galt und als grauenvolles Verbrechen angesehen wurde.
»Hat man euch
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