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Ein gefährlicher Gegner

Ein gefährlicher Gegner

Titel: Ein gefährlicher Gegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Carter lächelte. «Nichts anderes, als was Sie bereits angefangen haben. Jane Finn suchen.»
    «Ja, sehr schön – aber wer ist sie eigentlich?»
    «Ja, das müssen Sie nun wohl wissen.» Carter lehnte sich zurück, schlug ein Bein über das andere und begann mit leiser Stimme zu erzählen: «Die Geheimdiplomatie (die übrigens fast immer schlechte Politik ist) bringt es mit sich, dass ich Ihnen nicht alles sagen kann. Aber es wird Ihnen sicher genügen, wenn ich Ihnen mitteile, dass zu Anfang des Jahres 1915 ein gewisses Dokument verfasst wurde: der Entwurf eines Geheimabkommens oder eines Vertrages – nennen Sie es, wie Sie wollen. Es wurde von verschiedenen Regierungsvertretern aufgesetzt und es fehlten nur noch die Unterschriften. Das geschah in Amerika, das damals noch neutral war. Der Vertrag wurde durch einen Sonderkurier, einen jungen Mann namens Danvers, nach England geschickt. Man hoffte, dass die ganze Sache streng geheim bleiben würde. Aber solche Hoffnungen werden meist enttäuscht. Irgendeiner redet immer.
    Danvers reiste auf der Lusitania nach England. Er trug die wichtigen Papiere in einem in Öltuch eingeschlagenen Päckchen unmittelbar auf dem Körper. Auf dieser Reise wurde die Lusitania torpediert und sank. Danvers stand auf der Verlustliste. Sein Leichnam wurde an der Küste angespült und unzweifelhaft identifiziert. Das Päckchen aber fehlte!
    Nun erhob sich die Frage: Hatte man es ihm weggenommen oder hatte er selber es jemandem zur Aufbewahrung gegeben? Es gab einige Anhaltspunkte, die für die zweite Annahme sprechen. Nachdem das Torpedo das Schiff getroffen hatte, sah man Danvers in den wenigen Augenblicken, die bis zum Besteigen der Boote blieben, mit einer jungen Amerikanerin sprechen. Es hat zwar niemand tatsächlich beobachtet, dass er ihr das Päckchen gab, es besteht jedoch die Möglichkeit, dass er es getan hat. Ich halte es jedenfalls für durchaus wahrscheinlich, dass er die Papiere diesem Mädchen übergab, weil sie als Frau größere Aussicht besaß, wohlbehalten an Land zu kommen.
    Wenn das so war – wo war dann das Mädchen und was hatte sie mit den Papieren getan? Nach späteren Mitteilungen aus Amerika war so gut wie sicher, dass man Danvers auf der Überfahrt beschattet hatte. Stand das Mädchen in Verbindung mit dem Feind? Oder war es seinerseits beschattet worden und hatte man es durch List oder Gewalt dahin gebracht, das Päckchen auszuliefern?
    Wir machten uns an die Arbeit, sie aufzuspüren. Es erwies sich als ungewöhnlich schwierig. Ihr Name war Jane Finn und dieser Name erschien auch auf der Liste der Überlebenden. Aber das Mädchen war wie vom Erdboden verschluckt. Die Nachforschungen nach ihren Eltern halfen uns wenig. Sie war eine Waise und hatte in einem kleinen Nest im Westen als Hilfslehrerin gearbeitet. Sie wollte nach Paris, zum Dienst in einem Lazarett. Sie hatte sich freiwillig gemeldet und nach einigem Hin und Her hatte man sie angenommen. Nachdem die Leitung des Lazaretts ihren Namen auf der Liste der Überlebenden gelesen hatte, wunderte man sich, dass sie nicht erschien, um ihre Stelle anzutreten, und auch nichts von sich hören ließ.
    Man hat keine Mühe gescheut, das Mädchen zu finden. Aber es war alles umsonst. Wir verfolgten ihre Spur noch durch Irland, doch es war nichts mehr ausfindig zu machen, seit sie ihren Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte. Der Vertrag wurde in keiner Weise benutzt, was ja leicht hätte geschehen können, und so lag der Schluss nahe, dass Danvers ihn doch wohl vernichtet hatte. Der Krieg trat in eine neue Phase ein, die diplomatischen Beziehungen änderten sich, und der Vertrag wurde niemals mehr von neuem aufgesetzt. Jane Finns Verschwinden geriet in Vergessenheit.»
    Mr Carter hielt inne und Tuppence warf ungeduldig ein: «Warum ist denn jetzt alles wieder aufgewirbelt worden? Der Krieg ist doch vorbei.»
    Mr Carters Reaktion verriet eine gewisse Unruhe. «Es sieht nun wieder so aus, als wären diese Papiere doch nicht vernichtet worden. Sie könnten heute wieder ins Spiel geworfen werden und hätten dann eine neue, gefährliche Wirkung.»
    Tuppence sah ihn aufmerksam an. Mr Carter nickte.
    «Ja, vor fünf Jahren war dieser Vertragsentwurf eine Waffe in unseren Händen. Heute ist er eine Waffe gegen uns. Es handelt sich dabei um einen gewaltigen politischen Missgriff, der für uns katastrophale Auswirkungen haben könnte, falls sein Inhalt bekannt würde. In letzter Konsequenz könnte das fast zu einem Krieg

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