Ein gefährlicher Gentleman
dem Tagebuch, die er dort an den Mann bringen wollte. Wenn es im Klub von jemandem liegen gelassen worden war, grenzte das den Kreis der Verdächtigen ein; derjenige musste wie Fitch und er Mitglied sein. Wie aber sollte er herausfinden, wer unter Umständen vor drei Monaten auf einem der Tische ein Buch liegen gelassen hatte? Er wusste es nicht, aber es schadete sicher nicht, wenn er ein paar Fragen stellte. Wenn eines im haut ton sicher war, dann wohl die Tatsache, dass die Kellner in den Klubs, in denen Männer wie er verkehrten, ihre Gäste sehr gut kannten. Sie begrüßten die Gentlemen mit ihren Namen, setzten sie an die gewohnten Tische und eilten stets sofort mit den beliebtesten Erfrischungen des jeweiligen Gentlemans herbei, ehe er bestellen konnte.
Bestimmt wusste einer von ihnen etwas.
Es war nicht seine Art, herumzuschnüffeln. Aber in diesem Fall hatte er ein gesteigertes Interesse daran, die Wahrheit herauszufinden. Er wollte Madeline gefallen, wollte ihrer Seele Ruhe schenken. Ja, dafür würde er alles tun.
Fast alles. Bis auf einen Heiratsantrag.
Es könnte ihr nicht gerecht werden, wenn er ihr nicht mehr bot. Nicht seine Selbstsucht, sondern seine Erfahrung lehrte ihn, dass es so besser war. Gott stehe ihm bei, aber wenn die Vergangenheit nicht wie ein Felsbrocken auf ihm lasten würde, hätte er vielleicht alles anders gemacht. Verlockend kam ihm ein Bild in den Sinn: Madeline, die sein Kind in den Armen hielt. Ihr Gesicht strahlte …
Nein.
Ein Kind war natürlich trotzdem im Rahmen der Möglichkeiten.
Keine Methode, mit der man eine Schwangerschaft zu verhindern suchte, war unfehlbar. Die gemeinsame Nacht im Gasthaus war dafür ein gutes Beispiel. Normalerweise war er nicht so unvorsichtig … Tatsächlich war er noch nie so unvorsichtig gewesen, weil er keine Lust hatte, überall Bastarde in die Welt zu setzen. Wenige Gentlemen seines Stands sorgten sich um illegitime Kinder. Für diese musste meist die Frau die Verantwortung übernehmen, oder ihr Mann musste das Kind anerkennen, wenn sie verheiratet war. In seinem Bekanntenkreis befanden sich einige Männer, deren Kinder ihnen nicht annähernd ähnlich sahen. Aber er glaubte, er könne einem Kind nicht mit dieser Gleichgültigkeit begegnen.
Er hatte es zuletzt vermieden, einen Gedanken an eine mögliche Schwangerschaft zu verschwenden, weil er sich einredete – und er wusste, damit täuschte er nur sich selbst – es habe keinen Sinn, über eine Eventualität nachzudenken, die vielleicht nie eintraf. Das stimmte natürlich nicht, denn es brachte viel Verantwortung mit sich, ein Kind in die Welt zu setzen. Er kannte sich gut genug, um zu wissen, dass er sich nie davor drücken würde. Genauso wenig würde er Madeline mit einem Kind allein lassen.
Er wollte sie beschützen, nicht ihr Leben ruinieren. Was er tatsächlich tat, war die wichtige Frage, die sich ihm stellte.
Eigentlich müsste er sich von ihr fernhalten.
Aber er glaubte, das könne er nicht tun. Dieses Wissen war um ein Vielfaches beängstigender als einer Reihe französischer Soldaten mit in der Sonne blitzenden Bajonetten gegenüberzustehen.
Er saß gemütlich auf seiner Polsterbank und betrachtete nachdenklich und verunsichert die leere Bank ihm gegenüber. Dann atmete er tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Es wäre keine Katastrophe, sondern bloß ein weiterer Meilenstein seines Lebens. Das Leben war voller Meilensteine, wie zum Beispiel der Tag, an dem man volljährig wurde oder der erste Tag in Eton. Oder, schlimmer noch, jener kalte, klare Morgen, an dem die Sonne den spanischen Horizont berührte und er wusste, es kam zur Schlacht. Die erste Schlacht in einem langen Krieg.
Er hatte jene Meilensteine durchgestanden, und diesen hier würde er auch durchstehen.
Als Maria ihm erzählte, sie trage sein Kind unter dem Herzen, war er im ersten Augenblick überwältigt gewesen. Dann erst hatte das Gewicht der Verantwortung ihn niedergedrückt, doch schließlich siegte die unbändige Freude. Diese unterschiedlichen Gefühle hatten ihn so schnell überrollt, dass es ihm beinahe unmöglich gewesen war, sie allesamt in eine richtige Reihenfolge zu bringen, bevor er vor ihr auf die Knie sank und sie anflehte, ihn zu heiraten.
Inmitten eines vom Krieg zerrissenen Lands. Was für ein Narr er gewesen war! Andererseits hätte es keinen anderen Weg gegeben, oder? Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er sich verliebt, und sie erwartete sein Kind.
Schließlich hatte er
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