Ein gefährlicher Gentleman
selbstbewusst war. Er fragte sich manchmal, ob die Welt tatsächlich in den Händen der Männer lag, wie sie gerne glaubten, oder ob nicht die Frauen die Fäden zogen. »Ich werde sehen, was ich tun kann«, erklärte er sich einverstanden.
»Ich danke dir.« Elizabeth stand auf, und die seidigen Röcke raschelten verführerisch. Kurz zögerte sie, ehe sie den Schreibtisch umrundete und ihn zu seiner Überraschung umarmte. In ihren Augen schimmerten Tränen. »Ich bin so schrecklich nervös. Wer hätte das gedacht? Es ist schließlich nur Miles.«
Als sie gegangen war, warf Luke sich in seinem Stuhl nach hinten und blickte in den leeren und kalten Kamin.
Liebst du denn Lady Brewer?
Diese freimütige Frage war aus dem Nichts gekommen. Natürlich war seine Familie neugierig. Seine Mutter machte kein Geheimnis daraus, und Elizabeth mit ihren neunzehn Jahren hatte einen romantisch verklärten Blick auf die Dinge.
Er war so naiv gewesen zu glauben, die Affäre mit Madeline ginge nur ihn und sie etwas an. Er musste sich nun der Wahrheit stellen, denn Lady Brewer war völlig anders als seine gewöhnlich ungebundenen Bettgefährtinnen.
Während er dort saß, wurde ihm bewusst, dass da tatsächlich etwas zwischen ihnen war. Aber keiner von ihnen war allein. Sie hatte eine Vergangenheit. Einen Sohn. Er hatte eine Vergangenheit.
Und ein Geheimnis.
Kapitel 23
Jetzt machte er es schon wieder. Aber wenn er Glück hatte, fiel niemandem auf, dass er sie heimlich beobachtete.
Elizabeth schien definitiv nicht zu bemerken, dass er sie verfolgte.
Miles schob sich durch die offenen Fenstertüren nach draußen auf die Terrasse. Er tat so, als habe er großes Interesse an dem Tisch mit den Erfrischungen, obwohl er in der letzten Woche nicht einen Tropfen getrunken hatte. Ständig warf er einen prüfenden Blick zur Tanzfläche herüber. Elegant tanzte sie in einem Wirbel aus silberner Seide, die perfekt zur Farbe ihrer Augen passte. Er konnte den Blick nicht von ihr abwenden.
Selbst dann nicht, wenn sie in den Armen eines anderen Mannes lag. Es war dumm von ihm gewesen, heute Abend auf diesen Ball zu gehen.
»Whisky?«
Miles blickte ruckartig auf. Er fühlte sich ertappt. Luke stand vor ihm und lächelte ihn ausdruckslos an.
»Nein, danke«, murmelte er.
»Ich nehme auch einen«, drängte sein Cousin. Er klang ironisch.
»Oh.« Miles schaute nach unten, nahm ein Glas und entschied sich für eine der Flaschen. Er schenkte sich einen Drink ein.
»Ich habe dich in letzter Zeit selten gesehen.« Luke nahm das Glas entgegen, ohne zu trinken. »Dein Leibdiener hat mir erzählt, du hättest dich für den Ball umgezogen. Ich habe gehofft, dich hier zu treffen. In letzter Zeit warst du ständig unterwegs.«
Sie lebten zwar unter einem Dach, aber sie waren sich tatsächlich in letzter Zeit nicht mehr über den Weg gelaufen. Das mochte daran liegen, dass sie beide völlig andere Terminpläne hatten, wenngleich sie – und das war so verrückt – aus demselben Grund taten, was sie taten.
Eine Frau war der Grund. Luke verbrachte seine Nächte sonst wo, und Miles hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, sehr spät heimzukommen und morgens in aller Früh zu verschwinden, um Elizabeth nicht über den Weg zu laufen.
»Ich habe mich ferngehalten.« Er versuchte, nicht verteidigend zu klingen, sondern eher einen lässigen Plauderton anzuschlagen. »Es ist nicht nur zu ihrem Wohl. Du weißt, wie ich mich fühle. Kannst du es mir verdenken?«
»Nein, das kann ich nicht. Aber willst du so mit deinem Problem umgehen? Du kannst ihr nicht ewig aus dem Weg gehen.«
Das stimmte vermutlich, aber er wollte es wenigstens versuchen. Die Musik erreichte neue Höhen, die Tänzer bewegten sich im Takt, und Miles wünschte sich, die Saison würde nicht mehr so lange dauern, und dass es nicht mehr so warm wäre, denn unter seinem Mantel geriet er ins Schwitzen. Nachdenklich glitt sein Blick wieder zur Tanzfläche. »Sie sieht hübsch aus.«
»Sie möchte mit dir reden.«
Miles riss sich von Elizabeths hübschem Anblick los und richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Cousin. »Warum?«
»Warum? Zum Teufel, Miles, du kennst sie doch. Natürlich möchte sie über den Kuss reden, dessen Zeuge ich vor einigen Tagen am Springbrunnen wurde. Und ich vermute, sie möchte über manch anderes auch reden. Elizabeth ist eine erwachsene Frau, aber deshalb hat sich ja nicht die Persönlichkeit deiner altklugen Gefährtin von früher verändert. Du weißt doch, wenn
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