Ein gefährlicher Gentleman
despotischer Befehl hätte in ihren Ohren besser geklungen. Aber andererseits empfand sie seine Beharrlichkeit als bewegend.
Er hatte bitte gesagt. Lord Altea, der abgestumpfte und weltgewandte Lord Altea, der sich so sicher in den Kreisen des ton bewegte, hatte sie angesehen und bitte gesagt.
»Glaubst du wirklich, es ist so dringend?«
»Wenn ich das nicht glaubte, wäre ich nicht hier, oder?«
Nein, natürlich nicht. Wenn es etwas gab, das sie inzwischen wusste, dann dass er nichts leichtfertig tat. Sie nickte und stand auf, um nach der Klingelschnur zu greifen. Hubert tauchte Augenblicke später auf, und sie gab ihm die Anweisung, die Zofe solle alles für eine kurze Reise einpacken, nicht nur für sie, sondern auch für Trevor. Seine Gouvernante sollte ebenfalls packen, um sie zu begleiten.
»Ist deine Familie darauf vorbereitet, dass du deine Mätresse und ihr Kind bei ihnen einquartierst?«, fragte sie halb im Scherz. Aber sie meinte die Frage ernst.
»Du bist nicht meine Mätresse.« Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte.
»Was bin ich dann?«
»Zwing mich nicht ausgerechnet jetzt dazu, das allzu genau zu betrachten.« Versuchte er, sich gewohnt lässig und charmant zu geben? Der Versuch misslang. »Ich weiß bloß, dass ich mir die ganze Nacht Sorgen mache, wenn ich dich nicht mitnehme. Das hier ist kein Spiel. Von Spielen habe ich wenigstens eine Ahnung. Ich weiß genug über Lügen, Verrat und sogar gewagte Wetten. Aber es gibt Dinge in meinem Leben, die ich nicht aufs Spiel setzen will.«
Und sie gehörte dazu? Madeline fragte nicht. Er hatte schon jetzt mehr gesagt, als er wollte, wenn sie das richtig beurteilte.
»Ich vertraue dir.« Sie stand vor ihm, die Arme gegen ihre Seiten gepresst. In ihr keimte Hoffnung gepaart mit Erleichterung, und sie fragte sich, ob sie ihren eigenen Gefühlen vertrauen konnte.
»Das solltest du auch«, sagte er leise. »Wenn dir etwas geschieht …« Er zögerte. Seine Stimme verklang.
Etwas entflammte in diesem Augenblick zwischen ihnen. Der Moment war bedeutungsvoll. Madeline hatte eine mögliche Heirat nicht kategorisch abgelehnt. Das war er gewesen.
Sie liebte ihn und wollte seine Frau sein. Sie wollte seine Kinder zur Welt bringen und für den Rest ihres Lebens in seinen Armen schlafen. War sie gierig, wenn sie sich nach der zweiten Chance auf ein glückliches Leben mit einem Mann sehnte, den sie begehrte? Vielleicht. Aber das Schicksal hatte sie beim ersten Mal hinterrücks bestohlen, und jetzt hatte es ihr eine neue Liebe gewährt. Sie musste nur noch zugreifen.
Ehe sie noch etwas erwidern konnte, wurden sie durch Hubert unterbrochen, der zurückkam. Er hatte die besorgte Miene aufgesetzt, die sie von ihm gewohnt war. Doch er wirkte verhärmter als sonst. »Madam, ich habe wie gewünscht Eure Anweisungen weitergegeben. Aber ich fürchte, Lord Brewer ist nicht zu Hause.«
Sie hatte sich bis heute nicht daran gewöhnt, dass Trevor so angeredet wurde. Aber er hatte trotz seines kindlichen Alters bereits den Titel geerbt. »Mir hat niemand gesagt, dass Miss Chaucer mit ihm in den Park gegangen ist. Das Wetter ist für derlei auch kaum geeignet.«
»Miss Chaucer ist noch hier, Mylady. Der junge Master ist vor einigen Stunden mit Mrs Stewart weggegangen. Als Ihr noch unterwegs wart.«
Madeline spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Ihr wurde eiskalt. » Wie bitte? «
»Mrs Stewart gehört zur Familie, Madam. Ich bin sicher, sie wird …«
Luke unterbrach den Butler mit einer Reihe abgehackter Fragen: »Wann? Zu Fuß oder mit einer Kutsche? Hat Alice Stewart erwähnt, wohin sie wollten? War sie allein?«
»Ich bin … nicht sicher, Mylord«, stammelte Hubert. Auf seinem fleischigen Gesicht zeichnete sich Bestürzung ab.
»Bitte lassen Sie sofort die Gouvernante herbringen.«
»Ja, Mylord.«
Kurz darauf wurde Madelines bebender Körper in eine schützende Umarmung gezogen. Sogar ohne Lukes Vorwarnung hätte es sie zutiefst beunruhigt, wenn Alice ihren Sohn ohne Erlaubnis mitgenommen hätte. Das war schließlich noch nie passiert. Bisher hatte Colins Cousine sich höchstens höflich nach Colins Wohlbefinden erkundigt.
Und das bedeutete, wie ihr jetzt entsetzt klar wurde, dass Alice irgendetwas Merkwürdiges vorhatte. Ein leises Schluchzen entrang sich ihr.
Lukes Mund drückte sich auf ihr Haar. Seine Arme umschlossen sie stark und beschützend. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Sei nicht so besorgt, Liebes. Michael hat jemanden beauftragt, ihr
Weitere Kostenlose Bücher