Ein gefährlicher Gentleman
entzogen. Dieser gehörte dazu. »Du könntest wieder heiraten.«
»Ich habe einmal aus Liebe geheiratet«, sagte Madeline. Ihr Blick huschte wieder zum Tagebuch ihres Mannes. Der lederne Buchdeckel war von der ständigen Benutzung weich. »Ich hatte auch das Glück, dass er meine Gefühle erwiderte. Ich glaube, an einem anderen Arrangement hätte ich keine Freude. Vermutlich ist das egoistisch. Ich weiß, Trevor braucht einen Vater. Aber wie viele Männer würden sich schon darum reißen, den Sohn eines Anderen aufzuziehen?«
Luke saß schweigend da, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. Seine Weigerung, über eine Ehe nachzudenken, hatte nichts mit ihrem Kind zu tun. Wäre seine Situation anders, würde ihn der Gedanke an ein Kind in seinem Leben durchaus reizen, stellte er überrascht fest. Darüber hatte er bisher nie nachgedacht. Vielleicht lag es an der Verantwortung, die er für Elizabeth und ihre Zukunft übernommen hatte, weshalb er eine Elternschaft nun anders beurteilte. Madeline zog ihr Kind alleine auf. Dafür bewunderte er sie.
»Du bist eine persönliche Schwäche, die ich mir leiste, Mylord.« Ein kleines, verführerisch weibliches Lächeln umspielte ihren Mund. Er dachte daran, wie es war, diese Lippen zu spüren. An ihr Seufzen, wenn er sie küsste. Wenn seine Finger über ihre erhitzte seidige Haut glitten.
»Dasselbe kann ich von dir behaupten.« Sein gieriger Blick erkundete schamlos ihren Körper. Der vor ihnen liegende Abend versprach ihnen erneut sinnliche Erfüllung, sobald sie ein paar flüchtige Auftritte in der Öffentlichkeit absolviert hatten. »Da wir offensichtlich dasselbe Ziel haben, könntest du nach oben gehen und dich umziehen, oder? Ich bin sicher, wir sind heute Abend zu denselben Veranstaltungen geladen. Es könnte der richtige Moment sein, um formlos den Gerüchten neue Nahrung zu geben und Fitch zu warnen, ehe er irgendwas Dummes tut. Wie zum Beispiel einen von uns beschuldigen, ihn angegriffen zu haben.« Betont lässig fügte er hinzu: »Ich möchte ihn nämlich nicht umbringen müssen.«
Angesichts dieser geradezu barbarischen Ankündigung riss sie die Augen auf. »Würdest du ihn wirklich zum Duell fordern?«
»Meine liebe Madge, das habe ich bereits gesagt. Machst du dir etwa Sorgen um ihn?«
Sie erhob sich. Das zerknitterte Musselinkleid raschelte, und sie senkte ihre Wimpern um eine Winzigkeit. »Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, meine Sorge könnte eher dir gelten, Altea?«
»Nein«, gab er ehrlich zu und stand höflich auf. Er war ein guter Schütze und fast zwanzig Jahre jünger als Lord Fitch.
»Männer«, murmelte sie, während sie den Schreibtisch umrundete.
»Frauen«, gab er zurück. Er hob langsam das Glas zum Mund, ohne sie aus den Augen zu lassen. »Bitte beeil dich mit deiner Toilette. Wir werden nur bei ein, zwei Veranstaltungen auftauchen, damit die Gesellschaft unser gemeinsames Auftreten zur Kenntnis nimmt. Ich hingegen freue mich viel mehr auf das, was uns danach erwartet.«
Kapitel 12
Seit ihrer Rückkehr in die Gesellschaft – immerhin erst gut vier Jahre nach Colins Tod – hatte Madeline nicht so ein nervöses Flattern verspürt, als sie einen Ballsaal betrat. Die Situation heute war natürlich ganz anders. Denn damals hatte sie sich zum ersten Mal der Gesellschaft als alleinstehende Frau, die keiner Anstandsdame mehr bedurfte, stellen müssen. Dieses Mal spürte sie Lukes muskulösen Arm unter ihren Fingern, als man sie ankündigte.
Er beugte seinen Kopf zu ihr herunter – eine überraschend intime Geste. »Es herrscht wirklich großer Andrang. Ich denke, wir werden recht schnell verdeutlichen können, was wir sind.«
Sein Atem streifte ihre Wange und fühlte sich angenehm warm an. Sein Mund war ihrem Ohr sehr nah, und in seinen silbrigen Augen, die von seinen dunklen, dichten Wimpern beschattet wurden, glomm ein beinahe boshaftes Vergnügen an diesem Coup auf.
»Ich würde sagen, da habt Ihr recht, Mylord«, murmelte sie. Schon jetzt waren die Blicke Dutzender Besucher auf sie gerichtet, und die Umstehenden begannen schon zu tuscheln. Sie erreichten das untere Ende der Treppe und schließlich den Ballsaal, in dem sich die Gäste drängten. Die Konsequenzen ihres Auftritts bereiteten Madeline Sorge. Sie dachte an Marta und ihren Mann, die Anstoß nehmen könnten, auch ihre Mutter fände bestimmt keinen Gefallen daran, wenn die Tochter die Gesellschaft eines Mannes suchte, der einen so zwielichtigen Ruf genoss wie der
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