Ein gefährlicher Gentleman
schwang, um die mit Fresken bemalte, gewölbte Decke zu stützen. Gemalte Engel tollten über ihren Köpfen herum. Luke rieb sich das Kinn. »Es war keine leichtfertige Entscheidung. Wir sind beide erwachsen und frei. Wir können tun, was uns gefällt. Sie kennt meine Meinung zu einer längerfristigen Verbindung.«
»Tut sie das wirklich?«
Er richtete seinen Blick auf das Gesicht seines Freunds. »Mir ist nicht der Luxus vergönnt, anders zu entscheiden. Madeline ist eine leidenschaftliche, wunderbare Frau, die zufällig im Moment auch meines Schutzes bedarf. Es ist eine für beide Seiten befriedigende Beziehung. Vertrau mir.«
»Ich würde dir mein Leben anvertrauen«, erwiderte der Marquess of Longhaven leise. »Das steht außer Frage und wurde, wie ich finde, bereits hinreichend bewiesen.«
Sie hatten einander damals in Spanien vertraut, und keiner von ihnen würde jetzt hier stehen, wenn dieses Vertrauen es nicht wert gewesen wäre.
»Aber?« Lukes lässige Haltung täuschte über seine Anspannung hinweg. Er schätzte Michaels Meinung immer sehr.
»Hast du schon mal den Kaufmann von Venedig gelesen?«
Wäre er nicht an die Gedankensprünge gewöhnt, denen man folgen musste, wenn man mit Michael sprach, hätte er auf diesen plötzlichen Themenwechsel erstaunter reagiert. »Shakespeare? Natürlich.«
»›Um Gutes zu vollbringen, musst du etwas Schlechtes tun‹«, zitierte Michael behutsam.
»Willst du mir einen Vortrag halten?« Luke verzog das Gesicht. »Wenn das so ist, dann hör auf, Shakespeare zu zitieren. Sprich offen.«
»Ich halte niemandem einen Vortrag.«
Mit diesen Worten straffte sich der mysteriöse Marquess of Longhaven, löste sich von der Säule, an die er sich so lässig gelehnt hatte, und verschwand in der Menge.
Was zum Teufel sollte das nun wieder heißen?
Verflucht. Luke weigerte sich, sich schuldig zu fühlen. Wenn Madeline ihm nicht nach der Dinnerparty gefolgt wäre, hätte er weiterhin Abstand gehalten. Ja, er war mehr als nur bereit dazu gewesen. Er hatte sich alle Mühe gegeben, sich zu ihrer beider Wohl von ihr fernzuhalten. Wenn die Erinnerung ihn nicht trog, hatte sie ihm dieses unmoralische Angebot unterbreitet, und …
»Wenn ich das richtig sehe, obliegt es auch heute Abend mir, Elizabeth und Tante Suzette in den frühen Morgenstunden sicher heimzubegleiten.« Die humorvolle Stimme, die seine brütenden Gedanken unterbrach, gehörte Miles. Er trug wie Luke einen maßgeschneiderten, dunklen Abendanzug. In seinen Augen glomm eine gewisse Neugier.
»Hast du etwas Besseres vor?«, fragte Luke. Zu seinem Verdruss musste er zugeben, dass er zum ersten Mal in der laufenden Saison nicht die Pläne seiner Schwester in seine Überlegungen einbezogen hatte, als er Madeline besuchte und vorschlug, sie sollten gemeinsam auf dem Ball erscheinen.
Sein jüngerer Cousin schüttelte den Kopf. Er lehnte sich an Michaels statt gegen die Säule und hob träge die Champagnerflöte an die Lippen. »Nichts Drängendes außer einem Besuch bei Brookes, und der eilt nicht. Das kann ich jederzeit nachholen.«
Luke fand wenig Gefallen an seinen Pflichten als Beschützer. Aber gewöhnlich versuchte er nicht, der Verpflichtung zu entgehen. Es gab keine Regel, die ihn zwang, mit seiner Mutter und seiner Schwester auf sämtlichen Veranstaltungen des ton gemeinsam aufzutreten. Aber er hatte seit Elizabeths Debüt im Frühling deutlich gemacht, dass er genau das vorhatte. Die Zukunft seiner Schwester war ihm wichtig. Miles war jedoch zuverlässig. Die Vorhaltungen, die er Elizabeth gemacht hatte, dass sie mit ihrem Cousin nicht allein sein durfte, gründeten nur darauf, was andere denken mochten und bedeuteten nicht, dass er an Miles in irgendeiner Form zweifelte. Im Übrigen wäre auch seine Mutter dabei, und das war absolut respektabel. »Ich würde dein Angebot gerne in Anspruch nehmen, da ich heute Abend noch anderweitig beschäftigt bin.«
»Das habe ich mir schon gedacht.«
Er verdiente diese Bemerkung zweifellos, aber er hatte bisher immer darauf verzichtet, sich für seinen Lebenswandel zu entschuldigen. Kein Grund, damit jetzt anzufangen. Außerdem würde Miles vermutlich nicht mehr zu dem Thema sagen. Auch wenn Luke sich sorgte, weil Elizabeth so unbesorgt und unschuldig an eine Kameraderie mit Miles glauben konnte, die sie ins Erwachsenenalter hatte retten können, schätzte er Miles Anwesenheit, weil er dann nicht das einzige männliche Familienmitglied in London war. »Da wir schon
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