Ein gefaehrlicher Liebhaber
hattet Glück, dass ihr überhaupt ein Boot und ein Schlauchboot hattet. Was wollt ihr hier?«
»Einen Platz zum Schlafen, sonst nichts. Diese Siedlung ist sicherer als das Flussufer. Zu essen haben wir selbst; wir wollen Ihnen nichts wegnehmen.«
Die alte Frau musterte ihn von Kopf bis Fuß. Er war ohne Hemd, denn so war er auf dem Boot herumgelaufen, als es sank. Offenbar fand sein muskelbepackter Oberkörper ihre Billigung, denn sie lächelte. Was irgendwie beunruhigend wirkte, als würde man Zeuge von etwas Widernatürlichem. »Ich bin Maria Sayad. Das ist mein Handelsposten. Ich habe keine Fremdenzimmer, aber ein paar Hängematten, die ich euch anbieten kann. Ihr könnt auf meiner Veranda schlafen.«
»Herzlichen Dank, Senhora Sayad.«
Aber sie war offenbar noch nicht am Ende ihrer Großzügigkeit. »Ihr werdet mit mir speisen. Diese Woche ist noch niemand vorbeigekommen, und ich sehe gerne neue Gesichter. «
»Herzlichen Dank, Senhora«, wiederholte er.
Die Senhora hielt sich offenbar an eher südländische Gepflogenheiten, denn es war bereits neun oder zehn Uhr, als es endlich Abendessen gab, und dieses Essen, obwohl eher schlicht und aus drei mageren Gängen bestehend, zog sich stundenlang hin. Das große Haus verfügte über Elektrizität, doch brannten die nackten Glühbirnen derart trübe, dass Öllampen dieselbe Wirkung gehabt hätten. An der Decke drehte sich träge ein riesiger Ventilator.
Jillian hatte Probleme, wach zu bleiben. Sie machte höflich Konversation und unterdrückte ihr Gähnen, doch als der Uhrzeiger sich Mitternacht näherte, fiel es ihr zunehmend schwer, dem Gespräch zu folgen. Ben dagegen war überhaupt nichts anzumerken; er unterhielt sich mit der Senhora, als würden sie sich schon ewig kennen. Jillian bezweifelte, dass er irgendwann Schwierigkeiten hatte, ein weibliches Wesen um den Finger zu wickeln.
Den ganzen Tag über war Jillian in Gedanken versunken gewesen. Der Schmerz darüber, dass Ben ihren Traum so gedankenlos zerstörte und auch noch erwartete, dass sie da mitmachte, ging so tief, dass sie ihn zum Selbstschutz energisch hatte verdrängen müssen. Sie zwang sich, der Realität ins Gesicht zu sehen. Sie hatte immer gewusst, dass dieses Abenteuer nur auf eine Art enden konnte: mit ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten.
Ob sie nun in Freundschaft oder Feindschaft schieden, änderte nichts am Ausgang.
Das Einzige, was noch offen war, war, was aus der Kaiserin werden würde. Ben hatte seine Pläne, was nicht hieß, dass sie ihnen zustimmen oder danebenstehen und alles geschehen lassen musste. Den ganzen Tag hatte sie sich den Kopf zermartert, wie sie den Diamanten Ben wegnehmen und allein mit dem Stein nach Manaus zurückkehren könnte. Doch bis jetzt war ihr noch keine konkrete Idee gekommen. Er behielt den Rucksack ununterbrochen bei sich und hatte ein Argusauge darauf. Sie musste halt wachsam bleiben und ihre Chance ergreifen, wenn sie denn kam.
Es war bereits nach Mitternacht, als die Senhora sich endlich erhob und ihnen eine gute Nacht wünschte. Erleichtert ging Jillian mit Ben nach draußen auf die offene Veranda, wo zwei Hängematten für sie aufgehängt worden waren. Mit einem müden Seufzer ließ sie sich in eine davon sinken und schloss sofort die Augen.
Ben machte es sich in der zweiten bequem, lag aber noch eine lange Weile wach und starrte in die Dunkelheit. Er wollte sie. Natürlich konnte er ihr keinen dementsprechenden Vorschlag machen. Seit ihrem Streit gab es kein gutmütiges Geplänkel mehr, kein Anzeichen dafür, dass sie auch nur einen Millimeter von ihrer Meinung abgewichen war. Aber nicht einmal seine Wut konnte das Bedürfnis, sie zu lieben und in den Armen zu halten und zu wissen, dass sie ihm gehörte, verdrängen.
Schließlich schlief er ein, wurde jedoch wenige Stunden später von einem Gewitter geweckt. Donner krachte, und Blitze zuckten in den nachtschwarzen Wolken auf. Die Senhora hatte ihm ein Hemd geliehen, sodass ihm der kühle Wind nichts ausmachte. Jillian aber wälzte sich unruhig hin und her und schlang die Arme um ihren Oberkörper, um sich vor der Kälte zu schützen. Der Regen strömte wie eine silberne Wand vor ihnen hinunter und wurde gelegentlich durch Blitze geisterhaft erleuchtet.
Drunten am Flussufer kletterte eine massige Gestalt verstohlen auf den Anlegesteg. Dutra hatte das Schlauchboot gesehen und war rasch weiter flussabwärts gefahren, wobei er sich möglichst klein machte in seinem geklauten Boot. Er
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