Ein gefaehrlicher Liebhaber
war kein Stück Glas, es war die Kaiserin. Ich wurde mein Leben lang gelehrt, die Vergangenheit zu achten, jedes bisschen Geschichte, das wir finden können, zu schätzen, weil es ein Teil von uns ist, von dem, was wir sind, und dem, wie wir geworden sind, wie wir sind. Ich habe mich mehr Nächte gezwungen, wach zu bleiben, als du dir vorstellen kannst, mit einer Pistole in der Hand, um ein Grab oder eine Fundstelle vor Plünderern zu schützen. Glaubst du vielleicht, ich werde jetzt selbst zu so einem Plünderer?«
Er drang einfach nicht zu ihr durch. Es war, als würde er mit dem Kopf gegen eine Wand anrennen. Falls Gott je ein stureres Weib erschaffen hatte, wollte er es nie kennenIernen. Dieses hier trieb ihn absolut in den Wahnsinn.
Er gab für diesen Abend auf. Er hatte alles gesagt, was er zu sagen hatte. Sollte sie darüber nachdenken, dann würde sie irgendwann schon zur Vernunft kommen. Sie wollte ihren Vater rehabilitieren, und er hatte ihr eine Möglichkeit, das zu tun, aufgezeigt. Sie würde akzeptieren, dass etwas besser war als gar nichts.
Der Rest des Abends verlief schweigend. Als sie mit dem Essen fertig waren und das Geschirr gesäubert und weggeräumt hatten, deutete er mit einer brüsken Bewegung auf das Zelt, und sie kroch wortlos hinein. Es war nicht leicht in einem Zelt dieser Größe, aber sie schaffte es trotzdem, ihn nicht zu berühren. Und das ärgerte ihn am allermeisten von all den Dingen, die heute geschehen waren.
Der nächste Tag begann ähnlich. Es war, als hätte sie ihn aus ihren Gedanken gestrichen, als wäre er Luft, außer er sprach sie an und machte sie auf diese Weise kurz auf sich aufmerksam - sehr kurz. Es dauerte nur so lange, wie sie brauchte, um zu antworten, was sie in so knappen Worten wie möglich tat. Ihr Verhalten verriet unmissverständlich, dass sie überhaupt nur deshalb antwortete, weil es die Höflichkeit gebot.
Er ertappte sich dabei, wie er die Geschwindigkeit drosselte, um die Zeit, in der sie gezwungen war, es mit ihm auszuhalten, noch ein wenig zu verlängern. Um ihr mehr Zeit zu geben, zur Vernunft zu kommen. Er konnte bloß hoffen, dass er selbst es aushielt, denn ihm war nicht klar gewesen, wie viel Mühe es ihn kostete, sich selbst zu zügeln. Ihre gespielte Gleichgültigkeit erboste ihn. Sie war sein; er würde sie nie wieder fortlassen. Er würde alles tun, was notwendig war, damit sie bei ihm blieb, einschließlich sie zu kidnappen, wie sie so höhnisch vorgeschlagen hatte. Falls sie dachte, er würde davor zurückschrecken, dann kannte sie ihren Mann aber schlecht.
Ja, das war es, worum es wirklich ging. Sie war die Seine und er der Ihre. Wie konnte sie es wagen, so darauf zu spucken? Wie konnte sie es wagen, die Bande zwischen ihnen absichtlich zu zerreißen? Nein, er wollte verdammt sein, wenn er das zuließ.
Es war noch lange nicht dunkel, als sie die erste Siedlung erreichten. Ein recht ärmliches Dorf, obwohl es, dank eines Generators, Elektrizität besaß. Kinder kamen angerannt, als er das Schlauchboot, Schnauze voran, an den brüchigen Steg lenkte. Es gab etwa fünfzehn Hütten und ein größeres Gebäude, groß genug, um als Haus bezeichnet zu werden, obwohl es in keinem besseren Zustand war als die Hütten. Es gab im ganzen Dorf kein einziges Glasfenster; alle Dächer waren aus Stroh, sogar das auf dem »Herrenhaus«.
»Wieso halten wir an?«, fragte Jillian und brach zum ersten Mal ihre Regel, nur dann zu reden, wenn sie angesprochen wurde.
»Wenn sie uns hier schlafen lassen, sind wir hier sicherer. Es gibt zu viele Schmuggler in diesem Teil des Flusses, um mehr zu riskieren, als unbedingt sein muss.« Seine Stimme war ebenfalls kurz angebunden. Er war genauso wütend auf sie wie sie auf ihn.
Einige Kinder schnatterten aufgeregt, andere hielten sich scheu im Hintergrund. Die älteren Bewohner waren ebenfalls neugierig und starrten sie aus den Türen und Fenstern ihrer ärmlichen Hütten an. Eine hochgewachsene, dürre alte Frau trat aus dem großen Haus und stakste zum Anlegesteg hinunter. Sie trug eine Hose und ein ärmelloses, über die Hose hängendes Hemd. Ein abgerissener Strohhut schützte ihren Kopf vor der Sonne, und in ihrem Mundwinkel steckte ein dünner Zigarillo.
»Wer sind Sie?«, fragte sie barsch, mit einer Stimme, die so tief war wie die eines Mannes.
»Ben Lewis. Das ist Jillian Sherwood. Unser Boot ist gestern gesunken, und wir mussten das Schlauchboot nehmen.«
Die alte Frau zuckte mit den Schultern. »Ihr
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