Ein gefaehrlicher Liebhaber
Traum, rutschte sie näher und näher auf den Abgrund zu. Alles geschah wie in Zeitlupe, auch die Geräusche drangen nur wie von ferne und verzerrt an ihr Ohr.
Dann wurde sie bei den Fußgelenken gepackt und rutschte nicht weiter. Ricks Gewicht zog an ihr, und ihre Schultern schmerzten höllisch. Seine Hände begannen abzurutschen, und sie versuchte verzweifelt, ihn fester zu packen.
Über ihr wurde geflucht, was das Zeug hielt, jedes Schimpfwort, das sie kannte, und einige, die sie noch nicht kannte, vor allem portugiesische. Keuchend schloss sie die Augen, als die Schmerzen in ihren Armen und Schultern das erträgliche Maß zu übersteigen begannen.
Wieder bröckelte Erde unter ihnen weg und zog sie tiefer. Ricks Gewicht zerrte an ihren Schultern, und sie schrie laut auf.
»Nicht loslassen, Jill, bitte, lass mich bloß nicht los«, stammelte er mit kalkweißem, panisch verzerrtem Gesicht.
»Keine Sorge«, flüsterte sie. Er rutschte noch ein wenig, bis sie einander bei den Handgelenken packen konnten. Sie spürte, wie ihre zarten Handgelenksknochen knirschten, so brutal war sein Griff.
»Zieht sie rauf!«, brüllte Ben. »Ich bring jeden von euch Mistkerlen um, wenn ihr sie fallen lasst!« Er hatte die Fersen in die Erde gestemmt und zog mit jedem Quäntchen Kraft, das er besaß. Seine Pranken umklammerten ihre Fußgelenke wie Stahlbänder. Aber es war eine leere Drohung, denn eins war sicher: Wenn sie fiel, fiel er ebenfalls, denn loslassen würde er nicht.
Jorge lag auf den Knien und streckte sich vorsichtig vor, so weit er konnte. Es gelang ihm, die Finger in Jillians Hosenbund einzuhaken und seine nicht unbeträchtliche Kraft hinzuzufügen.
»Versucht, Ricks Beine mit ’nem Lasso einzufangen«, zischte Ben mit zusammengebissenen Zähnen. Auf seiner Stirn traten die Adern hervor, und der Schweiß lief ihm in die Au-
gen. »Wenn’s nicht anders geht, ziehen wir ihn eben kopfüber rauf.«
Einen Moment lang rührte sich keiner, dann schnappte sich Floriano das Seil. Kates war in der ersten Angst zurückgewichen, doch nun schien ihm einzufallen, dass die Expedition ohne Jillian sinnlos wurde und es sich wohl lohnte, ein bisschen zu ihrer Rettung beizutragen. Also warf er sich nach vorn und packte ebenfalls ihre Beine.
Floriano war kein guter Seilwerfer, und es gelang ihm nicht, Ricks Füße einzufangen, was auch ziemlich schwierig war, da der Mann in seiner Panik wie wild strampelte. Auch durfte er ja nicht ganz bis an den Rand treten, wenn er nicht riskieren wollte, selbst abzustürzen. Er trat so weit vor, wie es nur irgend ging, aber es reichte nicht, um Ricks Füße zu sehen. Er musste also blind werfen, was seine Treffsicherheit nicht erhöhte.
»Hier, ihr haltet sie fest«, knurrte Ben gepresst. Joaquim beeilte sich, seinem Befehl Folge zu leisten. Ben taumelte auf die Füße und erbat sich mit harscher Stimme das Seil von Floriano. Der war froh, sich aus der Gefahrenzone entfernen zu können, und drückte es ihm erleichtert in die Hand.
Ben legte sich auf den Bauch. »Haltet meine Beine.« Vicente und Floriano gehorchten sofort und umklammerten seine Stiefel.
Er beugte sich so weit hinaus, wie er es wagte, und spürte dabei, wie der nasse Boden unter ihm wegzubröckeln begann. Er konnte Jillians Gesicht sehen, schlammverkrustet, kreidebleich, schmerzverzerrt. Sie gab keinen Laut von sich. Rick schrie und zappelte nach wie vor, flehte sie an, ihn ja nicht fallen zu lassen.
»Gottverflucht noch mal, halt die Beine ruhig!«
Rick hörte ihn entweder nicht oder war unfähig, ihn zu verstehen, in seiner blinden Angst und Panik vor der gähnenden Leere unter seinen Füßen.
Ben holte mit dem Seil aus und klatschte es Rick an den Kopf. »Halt’s Maul und hör mir gefälligst zu!« Die unbändige Wut in seiner Stimme musste wohl zu Rick durchgedrungen sein, denn er hörte abrupt auf zu schreien. Aber die jähe Stille war ebenso nervenaufreibend wie sein Geschrei.
»Halt still«, wiederholte Ben gepresst. »Ich werde deine Füße mit einem Seil einfangen. Dann können wir dich hochziehen, okay?«
Ricks Augen waren blank vor Entsetzen, hatten sich aber unwillkürlich auf Ben gerichtet. »Okay«, flüsterte er kaum hörbar.
Jillian wandte Ben den Kopf zu, und ihre Augen, blind vor Schmerzen, blickten ihn flehentlich an. Ben musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht noch mehr zu fluchen, denn ihm wurde gerade klar, was Ricks Gewicht mit Jillians zarteren Gelenken anstellen musste. Sie hätte
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