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Ein gefaehrlicher Liebhaber

Titel: Ein gefaehrlicher Liebhaber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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behutsame Erforschung der steinernen Stadt. Noch mehr Unterholz musste entfernt werden, um einen Weg hinauf zu den beinahe vollständig zugewachsenen Felskammern zu finden. Während sie arbeiteten, tauchten Bruchstücke aus dem Alltagsleben der Anzar auf. Joaquim fand ein paar zerbrochene Fliesen, zu denen, wie sich herausstellte, nachdem der Boden frei geräumt worden war, noch mehr gehörten; ein Brunnen, wie es schien. Jillian fotografierte ihn aus jedem Winkel und machte sich gewissenhaft Notizen.
    Topfscherben tauchten auf, und auch diese wurden sorgfältig fotografiert und katalogisiert. Sie war noch nie so glücklich gewesen. Sie schrieben nicht Geschichte, sie enthüllten sie, entfernten den Schleier, der über einem bisher unbekannten Aspekt des menschlichen Lebens auf Erden gelegen hatte. Voller Ehrfurcht nahm sie ein Stück eines zerbrochenen Tonkrugs in die Hand, auf dem noch eine glasierte Abbildung zu sehen war. Dieser Krug war vor Hunderten von Jahren gefertigt und verziert worden, um das Leben eines Menschen, einer Familie zu verschönern und um jeden Tag benutzt zu werden. Es kam ihr vor, als hielte sie ein Stück Zeit in der Hand, was eigenartig tröstlich war. Die Menschen starben, aber das Leben ging weiter.
    Seltsamerweise war es ausgerechnet Dutra, der vier Tage später den ersten Felspfad fand, der zu den Kammern hinaufführte. Er hatte keinerlei Interesse an zerbrochenen alten Töpfen, hatte sich aber, nach seiner Konfrontation mit Ben, mit brutaler Kraft darangemacht, große Teile des Unterholzes zu beseitigen. Offenbar war die körperliche Anstrengung ein willkommenes Ventil für ihn, die angestauten Aggressionen am unschuldigen Buschwerk auszulassen.
    Der aufwärtsführende Pfad war nach Jahrhunderten der Vernachlässigung brüchig und bröckelig geworden. Natürlich war er fast vollständig unter Geröll und Pflanzen ver-schwunden. Dennoch war unübersehbar, wozu er diente. Man begann sofort damit, ihn freizulegen, wobei Jillian den Männern beständig in den Ohren lag, ja vorsichtig zu sein, was die Arbeiten natürlich verzögerte. Der Pfad führte zu einer breiten Straße hinauf, die den Kessel in weitem Bogen umlief. Von dieser Straße gingen in regelmäßigen Abständen die Felskammern ab. Da es weiter oben noch mehr Ebenen und Felskammern gab, vermutete Jillian, dass sie früher oder später auf weitere Verbindungspfade stoßen würden. Ja, die steinerne Stadt bestand ganz aus Kammern, die in konzentrischen Kreisen ringsum in die Felswände gehauen worden waren. Jillian schätzte, dass es hier Wohnraum für Tausende von Menschen gab beziehungsweise gegeben hatte.
    Die breite Straße war ebenso unter Geröll und Buschwerk verschwunden wie der hinaufführende Pfad, und sie vermutete, dass sich darunter jede Menge Fundstücke verbargen. Doch war es vorerst wichtiger, in die Felskammern selbst zu gelangen. In diesen Kammern hatten die Anzar gewohnt, und dort würden sich auch die größten Reichtümer finden. Obwohl sich ihre Vorstellung von Reichtümern natürlich von der der anderen unterschied, wie Jillian sehr wohl wusste. Aber für sie waren die Hinterlassenschaften des Alltags nun einmal mehr wert als alles andere.
    Natürlich hatten sich Tiere häuslich in den Kammern eingerichtet. Vögel nisteten hier und alles mögliche andere Getier. Es wäre wundervoll gewesen, wenn das alles unberührt geblieben wäre, dachte sie, einen Blick in die erste Kammer werfend. Aber die Natur hielt sich nun mal an ihre eigene Ordnung.
    Die erste Kammer war klein, nicht mehr als anderthalb Quadratmeter im Durchmesser. Und obwohl sie das Geröll sorgfältig durchsuchte, fand sie keinen Hinweis darauf, wofür die Kammer gedient hatte, zumindest nicht nach dem ersten Hinsehen. Es gab keinerlei Töpfe oder auch nur eine Kochstelle. Nichts, das wie eine Feuerstelle oder wie eine Kohlenpfanne ausgesehen hätte, kein Ruß, keine Kohlereste. Alles, was sie fand, war eine kleine Schlange, die hastig die Flucht ergriff, als Jillian sie mit ihrem Stock von ihrem Ruheplatz vertrieb.
    Dennoch weigerte sie sich, Enttäuschung aufkommen zu lassen. Es gab Hunderte von diesen kleinen Kammern; nicht alle würden leer sein. Nichts zu finden gehörte genauso zum Alltag eines Archäologen, wie etwas zu finden. Obwohl das natürlich nicht annähernd so aufregend oder befriedigend war. Sie fotografierte den Raum und trug ihn in ihr Notizbuch ein.
    Ben streckte den Kopf herein. »Du sollst nicht allein irgendwo reingehen«,

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