Ein Geheimnis: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
abgelehnt, zum Kommissariat zu gehen, um seinen Ausweis mit dem erniedrigenden roten Stempel versehen zu lassen. Sein Entschluß ist in der Familie umstritten. Esther und Georges sind dem Aufruf gefolgt, Elise und Marcel widersetzen sich noch, Joseph wartet die Entscheidung seines Sohns ab, alle führen lebhafte Debatten darüber.
Für Maxime wird das Muskeltraining zum Widerstand gegen Feigheit und Unordnung: Er trainiert mit neuem Elan. Nie hat er so viele Siege errungen, so mühelos über seine Gegner triumphiert. Er möchte Medaillen umgehängt bekommen, auf die oberste Stufe des Podests steigen. Jeden Sonntag nimmt er Hannah und Simon mit ins Stadion, der kleine Junge ist der Stolz seines Vaters, mit seiner zarten Gestalt beeindruckt er im Bodenturnen durch wunderbare Bahnen mit Handstand und Salto. Bald wird er mit dem Geräteturnen beginnen und das Ringen lernen.
Robert, der jünger ist als Maxime, wird einberufen und an die Front im Osten geschickt. Tania hat in Lyon die Filiale des Bettengeschäfts ihrer Schwiegereltern so lange wie möglich weitergeführt, aber die Schwierigkeiten, die sich durch verzögerte Lieferungen und Fabrikschließungen ergeben haben, zwingen sie, den Laden zu schließen. Sie kehrt zurück nach Paris und zieht wieder zu ihrer Mutter in die Rue Berthe. Die Einsamkeit hat zu einer Annäherung an die Familie ihres Mannes geführt, sie besucht regelmäßig Maxime und Hannah.
Die Sorgen, die sie in Lyon quälten, die Angst, die sie jeden Tag erfüllte, wenn sie den Briefkasten leerte, haben Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Sie sieht abgespannt aus, achtet weniger auf ihr Äußeres, doch ein Lächeln, eine Geste genügen schon, um Maxime wieder in dasselbe staunende Verzücken zu versetzen wie früher.
An einem Sonntag begleiten Louise, Georges, Esther und Tania Simon und seine Eltern zu den Sportanlagen des Club Alsacienne, um zu sehen, welche Fortschritte Simon gemacht hat. Man ißt an der Marne zu Mittag, läßt sich fritierten Fisch und Weißwein schmecken, am Nachmittag stellt Simon sein Talent unter Beweis, und Tania kann, wenn sie möchte, ihr Training wiederaufnehmen. Als sie nach dem Essen in ihrem schwarzen Badeanzug im Schwimmbad erscheint, wird sich Maxime des wahren Grundes für seine Einladung bewußt: Er wollte sie in diesem Aufzug sehen. Ihr Anblick wühlt ihn von neuem auf, wieder zieht es ihm die Brust zusammen, es ist dasselbe Gefühl wie am Tag seiner Hochzeit, das er vergessen zu haben glaubte. Tania springt vom Turm und beschreibt eine vollkommene Flugbahn, bevor sie ins Wasser eintaucht. Maxime kann seine Augen nicht von der Linie ihrer Schultern, ihrer Taille, ihren fein modellierten Beinen abwenden.
Hannah applaudiert, dann sucht sie nach Maximes liebevollem Blick. Doch der hat nur Augen für Tania. Sie kennt ihren Mann gut genug, um das irrsinnige Begehren in seinem Blick wahrzunehmen, eine Faszination, die er nicht einmal versucht zu verhehlen. Nie hat er sie so angesehen. Sie wendet sich zu Esther und Georges um:Auch ihre Augen glänzen vor Bewunderung für Tania. Beistand findet sie nur bei Louise, denn Louise hat begriffen und will sie mit einem Lächeln beruhigen. Sie taumelt, hört wie benebelt den Beifallssturm, mit dem ein neuer Sprung Tanias begrüßt wird. Diese steigt triefend aus dem Schwimmbecken, schüttelt ihre schwere Haarpracht, und Hannah begreift, welch ideales Paar diese beiden Sportler abgeben würden. Das ist ihr Element, das Stadion gehört ihnen, hier glänzen sie. Georges und Esther denken dasselbe, soviel steht für Hannah fest. Es hat noch nie in ihrer Natur gelegen, um etwas zu kämpfen, am liebsten würde sie auf der Stelle verschwinden, sich auflösen, um ihnen den Platz zu überlassen. Der Tag wird düster, den restlichen Nachmittag verbringt sie mit Simon, drückt ihn, küßt ihn, ist ihrem Sohn näher denn je.
Esther und Tania sind Freundinnen geworden, mit ihrem Lachen heitern sie die Sonntagsessen auf, vertreiben die Gedanken an das drohende Unheil. Hannah hält sich im Hintergrund, mit den beiden anderen Frauen kann sie sich nicht messen. Sie verschwindet hinter Esthers guter Laune und ihrem unaufhörlichen Schwatzen, sie fügt sich Tanias triumphaler Schönheit, besiegt flüchtet sie sich zu Simon.
Der Alltag ist voller Entbehrungen und Einschränkungen, aufgehellt nur von den heiteren Momenten, den Abendessen bei Esther, zubereitet mit dem wenigen, über das sie noch verfügt. Dann verbietet es sich die
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