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Ein Geheimnis: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Ein Geheimnis: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Ein Geheimnis: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Grimbert
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Vielleicht hat er Hannah sogar gebeten, ihm einen auf seine Jacke zu nähen, damit er ihn stolz vorzeigen kann, als wäre es eine der Medaillen seines Vaters.

Tania hat wieder ihr Mädchenzimmer in der Rue Berthe bezogen. Die Schneiderarbeiten ihrer Mutter sichern ihnen ein bescheidenes Auskommen. Ihre Gedanken kreisen nicht mehr ausschließlich um Robert, ihre Hände zittern nicht mehr jedesmal, wenn sie einen Brief öffnet. Sie hat einige hoffnungsvolle Briefe von ihm erhalten: Er beklagt sich nicht, zum Glück steht er bei den schweren Kämpfen nicht in vorderster Linie, er beteuert seine Liebe und verspricht ihr ein Kind, sobald er zurückkommt.

    Während der Jahre in Lyon beschränkte sich Tanias Leben auf den Bettenhandel und die kleine Wohnung über dem Laden. Einzig der regelmäßige Besuch des Schwimmbads brachte etwas Abwechslung in ihr Dasein. Robert erwies sich als aufmerksamer Gatte, aber seine Phantasie reichte nicht aus, um die Eintönigkeit des Lebens in der Provinz zu durchbrechen. Der kindliche Charakter ihres Ehemanns wurde ihr allmählich zur Belastung, sein blinder Gehorsam gegenüber den Wünschen seiner Eltern geradezu unerträglich. Roberts Unterwürfigkeit hatte ihnen den Umzug nach Lyon eingebracht, und diese Verbannung konnte sie ihren Schwiegereltern nicht verzeihen. In dieser drangvollen Zeit fehlte ihr Martha, und sie hätte alles darum gegeben, wieder bei ihrer Mutter im Modeatelier in der Rue Berthe zu wohnen und in das rege Treiben am Montmartre einzutauchen.
    Zurück in Paris, sucht sie wieder Anschluß bei ihrer Verwandtschaft. Sie schätzt die sonntäglichenAbendessen bei Georges und Esther. Ihre Schwägerin wird zu einer Freundin, einer Vertrauten. Mit Freude hat sie Roberts Schwester Hannah wiedergesehen, ihren Mann und ihren Sohn Simon näher kennengelernt, den bezaubernden kleinen Tyrannen, der ganz nach seinem Vater kommt.
    Sie kann sich der Anziehungskraft Maximes nicht erwehren, dessen Erscheinung sie schon bei ihrer ersten Begegnung betört hat. Doch war sie unter dem eindringlichen Blick erstarrt, mit dem er sie an seinem Hochzeitstag angesehen hat. Sie ahnt, daß es ihm bei seinem Selbstbewußtsein und seinem Charme leichtfällt, Frauen zu erobern, daß er zu den Männern gehört, für die Frauen Beute sind.
    Stolz darauf, mit einer Frau verheiratet zu sein, nach der man sich umdreht, legte Robert Tania gegenüber ein kindliches Begehren an den Tag. Als sie neu in Lyon waren, gingen sie abends manchmal in den Laden hinunter und liebten sich in einem der Betten, die dort zum Kauf angeboten wurden. Robert traf die Wahl: Ob rustikal, 17. Jahrhundert oder modern, im Ausstellungsraum waren alle Schlafzimmerstile vorhanden und versprachen unterschiedliche Wonnen. Durch die über Nacht herabgelassenen Rollos schimmerte das Licht der Straßenlaternen herein, und bei jedem Klacken von Absätzen auf der Straße zuckte Tania in den Armen ihres Mannes zusammen.

    Maxime beschäftigt ihre Gedanken mehr, als ihr recht ist. Sie mag noch so sehr dagegen ankämpfen, sein Bild verfolgt sie, das betörende Bild eines Mannes, den sienicht liebt. Jedesmal, wenn sie ihn mit Hannah und Simon sieht, fällt ihr wieder sein Blick ein. Bei jeder anderen Gelegenheit hätte sie sich durch diesen Blick geschmeichelt gefühlt, nur nicht am Tag seiner Hochzeit! Sie hat weder Robert noch Esther etwas davon erzählt und macht sich deswegen Vorwürfe, als hätte dieses Schweigen einen Pakt zwischen Maxime und ihr besiegelt. Sie könnte Maxime verachten, aber sie begehrt ihn. Zum ersten Mal fühlt sie sich von einem Mann angezogen, für den sie weder Achtung noch zärtliche Gefühle empfindet. Zu konkret sind die Bilder, die sie bestürmen, ein gebräunter Hals, der von seinem weißen Hemd absticht, seine Schulterlinie, die hervortretenden Adern seiner Unterarme. Wenn sie sich gehenläßt, riecht sie seinen Geruch, spürt sie das Gewicht seines Körpers, sieht sein Geschlecht, seinen muskulösen Hintern.
    Bei Robert war immer sie die tonangebende, sie lachte über seine Ungeduld, spielte mit seiner Begierde. Von Maxime fühlt sie sich schon jetzt bezwungen, ein unbekanntes Gefühl, eine nur schwer zu ertragende Spannung. Um sich davon frei zu machen, beginnt sie wieder zu zeichnen. Sie schlägt ihr altes Skizzenbuch auf und ergreift Seite für Seite Besitz von diesem Körper, betont seine Konturen, arbeitet seine Kraftlinien heraus. Das Ergebnis überrascht sie: Es steht ganz und gar im Gegensatz zu den

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