Ein Geschenk der Kultur
Kanalisationssystems steigt mir in die Nase. Ich kratze mich am Rücken und drehe mich um.
Sterne. Ich starre sie an, versuche, es mit ihrem nicht blinzelnden Blick durch die beschlagene, verkratzte Scheibe des Helmvisiers aufzunehmen.
Ich ziehe den Arm in den Anzug und löse meine Halteklammern. Dann strecke ich den Arm zum oberen Teil des aufgeblasenen Brustkorbs hinauf und taste in der vorderen Packtasche herum, bis ich meinen alten Fotoapparat gefunden habe.
»Was hast du vor?«
»Ich werde ein Foto machen. Spiel mir etwas Musik vor. Irgend etwas.«
»Okay.« Der Anzug spielt für mich Musik aus meiner Jugend, während ich die Kamera auf die Sterne richte. Ich klammere den Arm wieder an und schiebe den Apparat durch den Brustverschluß. Die Kamera ist sehr kalt; mein Atem schlägt sich darauf nieder. Der Sucher fährt halb heraus, dann klemmt er. Ich ziehe ihn mit den Fingernägeln heraus, und er bleibt so. Der übrige Mechanismus funktioniert; meine Sternenbilder werden hübsch, und als ich zu einigen älteren Bildmagazinen aus dem Vorrat umschalte, erscheinen auch diese hell und klar. Ich betrachte die Bilder meines Zuhauses und meiner Freunde in der Orbitalstation und empfinde – während ich der alten, nostalgischen Musik lausche – eine Mischung aus Trost und Traurigkeit. Mein Sicht wird verschwommen.
Ich lasse die Kamera fallen, und der Bildschirm schnappt zu; der Apparat rollt unter mir weg. Ich bücke mich unter Qualen, hebe ihn auf, lasse wieder Bilder auf dem Schirm abspulen und sehe mir alte Fotos an, bis ich schließlich einschlafe.
Ich wache auf.
Die Kamera liegt neben mir; sie ist ausgeschaltet. Der Anzug schweigt. Ich höre, wie mein Herz klopft.
Langsam gleite ich in den Schlaf zurück.
Es ist eine stille Nacht. Ich bleibe wach und betrachte die Sterne durch das verkratzte Visier. Ich fühle mich so ausgeruht wie nur möglich, aber die Nacht hier hat nun mal doppeltes Standardmaß, und ich muß mich einfach daran gewöhnen. Keiner von uns beiden hat ein ausreichendes Sehvermögen, daß wir bei Nacht unseren Weg gefahrlos fortsetzen könnten, abgesehen davon, daß ich trotz allem Schlaf brauche und der Anzug während der Sonnenstunden nicht genügend Energie speichern kann, um in der Dunkelheit zu marschieren; seine interne Energiequelle liefert kaum ausreichend dauerhafte Kraft zum Kriechen, und das Licht, das auf seine Fotopaneele fällt, ist eine lebenswichtige Ergänzung. Zum Glück ist die Bewölkung hier nur mäßig; ein wolkenverhangener Tag würde bedeuten, daß ich alle Arbeit allein verrichten müßte, ob ich damit dran wäre oder nicht.
Ich rolle die Klappe vor dem Bildschirm der Kamera auf, dann fällt mir etwas ein.
»Anzug?«
»Was ist?« sagt er leise.
»Die Kamera hat doch eine eigene Energieeinheit.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Sie ist sehr schwach, und die Systeme sind ohnehin so sehr beschädigt, daß kein Anschluß an eine andere innere Energiequelle mehr möglich ist. Mir fällt auch kein Weg ein, wie wir sie in das externe, auf Strahlung beruhende Energiegewinnungssystem einbeziehen könnten.«
»Wir können sie also nicht nutzen?«
»Wir können sie nicht nutzen. Schau dir nur in aller Ruhe deine Bilder an.«
Ich schaue meine Bilder an.
Es besteht kein Zweifel daran: Ausbildung oder nicht, wenn man im O-Umfeld geboren und aufgewachsen ist, dann paßt man sich niemals vollkommen an einen Planeten an. Man bekommt eine Art Agoraphobie; man hat das Gefühl, kurz davor zu sein, weggeschleudert zu werden, in den Raum hinauszufliegen, aufgelesen und kreischend und brüllend zu den nackten Sternen hinausgeschickt zu werden. Irgendwie spürt man diese riesige, verschwenderisch üppige Masse unter sich, die den Raum an sich verschiebt und sich selbst verdichtet, massives oder noch halb geschmolzenes Erdreich, bebend in einer quietschenden, gewaltigen Presse; und du, fest angeklammert, hockst an der Außenseite, halb ängstlich, daß du trotz all deines Wissens den Halt verlieren wirst und trudelnd und wirbelnd und winselnd abtreibst.
Dies ist jedoch dein Geburtsort, dies ist der Ort, den wir vor langer Zeit verlassen haben. Hier haben wir einmal gelebt, auf Kugeln aus Staub und Fels wie dieser. Dies ist unsere Heimat, wo uns einst die Wanderlust gepackt hat, die Gegend, in der wir einmal gewohnt haben, bevor wir von zu Hause weggelaufen sind, die Wiege, wo wir vom wahnsinnigen Atem der gewaltigen Größe des Ortes angehaucht wurden wie von einem
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