Ein Geschenk der Kultur
abbekommen hätte, dann wären nur noch Strahlen und Atome übrig, aber vermutlich wäre kein einziges Molekül unversehrt geblieben. Selbst bei einem Beinah-Fehlschlag wäre nichts für das bloße menschliche Auge Erkennbares mehr vorhanden. Nur etwas ganz Winziges – vielleicht nicht einmal ein Sprengkopf, sondern lediglich etwas, das sich sehr schnell bewegte – oder eine gewaltige Zielverfehlung hinterließ sichtbare Trümmer.
Das darf ich nicht vergessen, das muß ich im Sinn behalten. Wie schlecht es mir auch gehen mag, ich lebe noch, obwohl die Gefahr sehr groß war, daß nichts von mir übrigbleiben würde, nicht einmal Asche, ganz zu schweigen von mir als ganzes Wesen, das immer noch in der Lage ist, sich voranzubewegen.
Aber die Beschädigung ist nicht zu leugnen. Wir beide sind beschädigt. Ich bin verletzt, aber der Anzug nicht minder, was in gewisser Hinsicht schlimmer ist.
Er wird hauptsächlich mit externer Energie angetrieben, indem er die schwachen Sonnenstrahlen so gut aufnimmt, wie er kann, was aber so unergiebig ist, daß er sich in der Nacht ausruhen muß; wir beide müssen dann schlafen. Seine Kommunikations- und Antigravitationssysteme sind zerstört, und auch die Recycling- und medizinischen Einheiten sind schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Außer all diesem Ungemach gibt es noch ein kleines Leck, das wir nicht finden können. Ich habe Angst.
Er sagt, daß ich innere Verletzungen habe und mich nicht bewegen sollte, aber wir haben eingehend darüber gesprochen und sind übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, daß unsere einzige Chance darin besteht, zu marschieren und grob in die richtige Richtung zu gehen, in der Hoffnung, daß wir von der Basis gesehen werden, zu der wir ursprünglich unterwegs waren, als wir per Modul reisten. Die Basis liegt eintausend Kilometer südlich des nördlichen Eiskaps. Wir sind vom Äquator aus in Richtung Norden aufgebrochen, aber wie weit nach Norden unser Weg führt, das wissen wir nicht. Es wird ein langer Marsch werden, für uns beide.
»Wie geht es dir jetzt?«
»Gut«, antwortet der Anzug.
»Was glaubst du, wie weit wir heute kommen?«
»Vielleicht zwanzig Kilometer.«
»Das ist nicht sehr viel.«
»Du bist immer noch ziemlich krank. Wir werden besser vorankommen, wenn du erst wieder gesund bist. Es ging dir ziemlich schlecht.«
Ziemlich schlecht. Es kleben immer hoch kleine Brocken von Erbrochenem und Flecken getrockneten Blutes im Innern des Helms, an Stellen, wo ich sie sehen kann. Sie riechen nicht mehr, aber sie bieten auch keinen sehr erfreulichen Anblick. Ich werde heute abend noch mal versuchen, sie wegzuputzen.
Ich mache mir Sorgen – neben allem anderen, was mich belastet –, daß der Anzug nicht ganz ehrlich mit mir ist. Er behauptet, er glaubt, daß unsere Chancen fünfzig zu fünfzig stehen, aber ich habe den Verdacht, daß er entweder überhaupt keine Ahnung hat oder in Wirklichkeit ganz genau Bescheid weiß, daß die Dinge viel schlimmer sind, als er mir erzählt. Das hat man davon, wenn man einen klugen Anzug besitzt. Aber ich habe einen solchen verlangt, es war meine Entscheidung, also kann ich mich nicht beschweren. Außerdem wäre ich vielleicht gestorben, wenn der Anzug nicht so gescheit wäre, wie er ist. Er hat uns beide hier heruntergebracht, aus dem Modulwrack und durch die dünne Atmosphäre, während ich noch von der Explosion bewußtlos war. Ein Anzug in Standardausführung hätte die Sache vielleicht fast genauso gut gemacht, aber fast hätte nicht gereicht; es war so schon eine äußerst knappe Angelegenheit.
Meine Beine tun weh. Der Boden ist ziemlich eben, aber hin und wieder muß ich kleine Erhebungen und gerillte Strecken überwinden. Meine Füße sind auch wund, aber die Schmerzen in meinen Beinen machen mir größere Sorgen. Ich weiß nicht, ob ich es durchhalte, den ganzen Tag lang zu marschieren, wie es der Anzug von mir erwartet.
»Wie weit sind wir gestern gekommen?«
»Fünfunddreißig Kilometer.«
Der Anzug ist die gesamte Strecke gegangen und hat mich wie ein totes Gewicht mitgeschleppt. Ich bin aufgestanden, und wir sind losmarschiert, wobei ich mich innen anklammerte, um nicht hin und her zu taumeln; die spärlichen Überreste seiner verstümmelten Notversorgungs-Fotopaneele schleiften über den staubigen Boden hinter ihm wie die Flügel eines seltsamen verletzten Insekts.
Fünfunddreißig Kilometer. Ich habe bis jetzt noch nicht ein Zehntel davon geschafft.
Ich muß einfach
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