Ein Geschenk der Kultur
Klangfluß.
Andererseits war die Bevölkerung offenbar nur sehr zögernd bereit, sich einer anderen als ihrer eigenen Sprache zu bedienen, auch wenn die technischen Voraussetzungen bestanden, und es schien in Paris sogar noch weniger Leute zu geben, die willens und fähig waren, englisch zu sprechen, als es umgekehrt in London in bezug auf Französisch der Fall war. Vielleicht ein post-imperialer Snobismus.
Ich stand im Schatten von Notre Dame und dachte angestrengt nach, während ich diesen langweiligen Kitsch aus braunem Stein betrachtete, der die Fassade ausmacht (ich ging nicht hinein; ich hatte die Nase voll von Kathedralen, und zu jener Zeit ebbte sogar mein Interesse an Burgen stark ab). Das Schiff wollte, daß ich mit Linter sprach, aus Gründen, die mir unverständlich waren und die mir zu erklären es nicht bereit war. Niemand hatte den Burschen gesehen, niemand hatte ihn anrufen können, und niemand hatte während der ganzen Zeit, die wir schon über der Erde waren, eine Nachricht von ihm erhalten. Was war mit ihm geschehen? Und was sollte ich in dieser Sache unternehmen?
Ich spazierte am Ufer der Seine entlang, umgeben von all der überladenen, schweren Architektur, und überlegte.
Ich erinnerte mich an den Geruch des Kaffeeröstens (der Preis für Kaffee stieg zu jener Zeit gerade in schwindelnde Höhen; die Menschen und ihre Handelswaren!) und an die Lichtreflexe auf den Pflastersteinen, wenn kleine Männer in die Gehsteige eingelassene Wasserhähne aufdrehten, um die Straßen zu reinigen. Sie benutzten alte Lumpen, die sie vor den Rinnsteinen zusammenknüllten, um das Wasser in diese oder jene Richtung umzuleiten.
Trotz meiner fruchtlosen Grübelei war es wundervoll, an diesem Ort zu sein; die Stadt hatte etwas Ungewöhnliches, etwas, das einem das Gefühl dafür gab, welche Freude es ist zu leben.
Unversehens geriet ich auf den Weg zum flußaufwärtigen Ende der Île de Cité, obwohl ich vorgehabt hatte, zum Centre Pompidou zu gehen und dann umzukehren und den Fluß über die Pont des Arts zu überqueren. Am Ende der Insel war ein kleiner dreieckiger Park, wie das kleine grüne Vorderdeck eines Ozeandampfers, der den Bug in das Großstadtwasser der dreckigen alten Seine reckte.
Ich ging in den Park, die Hände in den Taschen, ziellos umherwandernd, und fand eine seltsam schmale und schlichte – fast bedrohliche – Treppe, die durch die massigen weißen Steine mit der groben Oberfläche hinunterführte. Ich zögerte, dann stieg ich hinunter, sozusagen auf den Fluß zu. Ich kam in einem geschlossenen Innenhof heraus, dessen einziger anderer Ausgang, den ich entdeckte, ein Stück tiefer an einer zum Wasser hin abfallenden Böschung war, doch er war durch ein gezacktes Gebilde aus schwarzem Stahl versperrt. Ich fühlte mich unbehaglich. Die starre Geometrie des Platzes hatte etwas, das einem die Empfindung einer Bedrohung, der eigenen Winzigkeit und Verletzbarkeit eingab; dieses erdrückende Gewicht weißer Steine ließ einen irgendwie daran denken, wie leicht zermalmbar menschliche Knochen sind. Offenbar war ich allein. Ich trat, von zaghafter Neugier getrieben, in die dunkle, schmale Öffnung, die zurück unter den sonnenbeschienen Park führte.
Es war das Mahnmal der Deportation.
Ich erinnere mich an Tausende kleiner Lichter, in Reihen aufgestellt, entlang eines mit einem Gitter verschlossenen Tunnels, eine nachgebaute Zelle mit eingemeißelten schönen Worten… Ich war jedoch irgendwie benommen. Das ist jetzt über ein Jahrhundert her, aber ich spüre noch immer die Kälte des Ortes; wenn ich diese Worte ausspreche, fährt mir ein frostiger Schauder über den Rücken; wenn ich sie auf den Bildschirm schreibe, dann zieht sich mir die Haut an den Armen, Waden und Seiten zusammen.
Die Wirkung blieb so eindringlich, wie sie damals war; die Einzelheiten waren ein paar Stunden danach ebenso verschwommen, wie sie jetzt sind und wie sie sein werden bis zu dem Tag, an dem ich sterbe.
3.2: Ein weiteres Opfer der Doppelmoral
Als ich heraustrat, war ich wie betäubt. Ich war wütend auf die Menschen, damals. Wütend, weil sie mich überrumpelt hatten, weil sie mich auf diese Weise berührt hatten. Natürlich war ich wütend wegen ihrer Dummheit, ihrer wahnhaften Barbarei, ihres gedankenlosen, tierischen Gehorsams, ihrer abscheulichen Grausamkeit; all jener Dinge, an die dieser Ort gemahnte… Was mich aber wirklich zutiefst erschütterte, war die Tatsache, daß diese Leute etwas schaffen
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