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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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einer seiner aktuelleren Übersichten erwähnt, aber es wußte natürlich, daß Carters Maßnahmen nicht ohne drastische Gesetzesänderungen greifen würden und daß bei dem Bohrturm ein Teilstück verkehrt herum eingebaut worden war. Ich suchte mir auch eine Zeitschrift aus; als ich also wieder bei Linter ankam, umklammerte ich ein Exemplar des Stern und erwartete, daß ich unverrichteter Dinge wegfahren müßte. Ich hatte mir halbherzig bereits einen Plan zurechtgelegt: nämlich auf der Fahrt nach Berlin die Gräber des Ersten Weltkriegs und die alten Schlachtfelder zu besuchen und so das Thema Krieg, Tod und Gedenkstätten während des gesamten Weges zur zerrissenen Hauptstadt des Dritten Reiches zu verfolgen.
    Doch Linters Wagen stand in dem Innenhof, neben dem Volvo geparkt. Sein Automobil war ein Rolls-Royce Silver Cloud; das Schiff fand es richtig, uns großzügig auszustatten. Jedenfalls behauptete es, eine Schau abzuziehen sei als Tarnung besser, als zu versuchen, nur ja nicht aufzufallen; besonders der westliche Kapitalismus erlaubte den Reichen immerhin einen so großen Spielraum für ihr Verhalten, daß unsere möglicherweise seltsamen fremdweltlichen Eigenarten damit erklärlich waren.
    Ich ging die Treppe hinauf und drückte auf den Klingelknopf. Ich wartete eine Weile, während ich Geräusche in der Wohnung hörte. Eine flüchtige Wahrnehmung auf der anderen Seite des Innenhofs nahm kurz meine Aufmerksamkeit in Anspruch, und ich verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln.
    Linter, der nicht lächelte, erschien an der Tür; er hielt sie für mich auf und verneigte sich leicht.
    »Miss Sma. Das Schiff hat mir Ihren Besuch angekündigt.«
    »Hallo.« Ich trat ein.
    Die Wohnung war entschieden größer, als ich erwartet hatte. Es roch darin nach Leder und neuem Holz; sie war hell und luftig und hübsch eingerichtet und voller Bücher, Schallplatten, Kassetten, Zeitschriften, Gemälden und Objets d’art, und es sah ganz und gar nicht so aus wie die Wohnung, die ich in Kensington hatte. Diese hier sah bewohnt aus.
    Linter forderte mich mit einer Handbewegung auf, in einem schwarzen Ledersessel am einen Ende eines Perserteppichs, der einen Teakholzboden bedeckte, Platz zu nehmen, und ging zu einer Hausbar, wobei er mir den Rücken zudrehte. »Was trinken Sie?«
    »Whisky«, antwortete ich. »Mit oder ohne e vor dem y.« Ich setzte mich nicht, sondern wanderte in dem Raum hin und her und sah mich um.
    »Ich habe Johnny Walker Black Label.«
    »Sehr gut.«
    Ich beobachtete, wie er mit einer Hand die eckige Flasche umfaßte und eingoß. Dervley Linter war größer als ich und ziemlich muskulös. Dem geübten Augen entging nicht, daß etwas mit der Form seiner Schulter nicht ganz stimmte – nach erd-menschlichen Maßstäben. Er beugte sich über die Flaschen und Gläser wie etwas Bedrohliches, als ob er den Drink mit Gewalt von einer Stelle zu einer anderen befördern wollte.
    »Mit was drin?«
    »Nein, danke.«
    Er reichte mir das Glas, bückte sich zu einem kleinen Kühlschrank, nahm eine Flasche heraus und goß sich selbst ein Budweiser ein (ein echtes, aus der Tschechoslowakei). Als die kleine Zeremonie des Einschüttens schließlich beendet war, setzte er sich. Auf einen Bauhaus-Stuhl, der original aussah.
    Sein Gesicht war ruhig, ernst. Jeder Zug forderte für sich die besondere Aufmerksamkeit; der große, bewegliche Mund, die geblähte große Nase, die hellen, aber tiefliegenden Augen, die dichten Theaterschurken-Augenbrauen und die ungewöhnlich gefurchte Stirn. Ich versuchte mich zu erinnern, wie er früher ausgesehen hatte, konnte mich aber nur noch dunkel entsinnen, so daß es unmöglich war zu beurteilen, wieviel seines jetzigen Aussehens von seiner sozusagen ›normalen‹ Erscheinung übernommen worden war. Er rollte das Bierglas zwischen seinen großen Händen hin und her.
    »Das Schiff ist offenbar der Ansicht, daß wir miteinander sprechen sollten«, sagte er. Er kippte etwa die Hälfte des Bieres in einem einzigen Schluck hinunter und stellte das Glas auf einen kleinen Tisch aus poliertem Granit. Ich stellte meine Terminal-Brosche ein. »Und Sie meinen nicht, daß wir das tun sollen?«
    Er spreizte die Hände weit, dann faltete er sie vor der Brust. Er trug zwei Teile eines teuer aussehenden schwarzen Anzugs, Hose und Weste. »Ich denke, es dürfte sinnlos sein.«
    »Nun, ich weiß nicht… Muß denn alles einen Sinn haben? Ich dachte… das Schiff hat vorgeschlagen, daß wir uns

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