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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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konnten, das auf so aufschlußreiche Weise von ihren eigenen grauenvollen Handlungen zeugte; daß sie ein Werk vollbringen konnten, das auf so menschliche Weise an ihre Unmenschlichkeit gemahnte. Ich hatte sie dessen nicht für fähig gehalten, nach allem, was ich gelesen und gesehen hatte, und es paßte mir nicht, daß ich überrascht worden war.
    Ich verließ die Insel und ging am rechten Ufer in Richtung Louvre; dann wanderte ich durch seine Galerien und Säle, betrachtend, ohne etwas zu sehen, nur um zu versuchen, meinen inneren Frieden wiederzufinden.Ich ließ meine Drüsen eine Ladung Ganzruhigjetzt * ausstoßen, um den Vorgang zu beschleunigen, und als ich zur Mona Lisa gelangte, war ich schon wieder ziemlich gefaßt. Die Giaconda war eine Enttäuschung; zu klein, zu dunkel und umringt von Menschen und Kameras und Sicherheitsvorrichtungen. Die Dame lächelte gelassen hinter einer dicken Glasscheibe.
    Ich fand keinen Sitzplatz, und allmählich taten mir die Füße weh, deshalb spazierte ich hinaus in die Tuilerien, entlang breiter und staubiger Avenuen zwischen kleinen Bäumen, bis ich schließlich eine Bank an einem achteckigen Wasserbecken fand, wo kleine Jungen und ihre Peres Modelljachten segeln ließen. Ich sah ihnen zu.
    Liebe. Vielleicht war es Liebe. Konnte das sein? Hatte sich Linter in jemanden verliebt, und machte sich das Schiff Sorgen, daß er aus diesem Grund womöglich nicht mehr von hier weg wollte, falls und wenn er es müßte? Nur weil Tausende von gefühlvollen Geschichten so anfangen, bedeutete das nicht, daß so etwas nicht auch tatsächlich geschah.
    Ich saß an dem achteckigen Becken und dachte über derlei Dinge nach, und derselbe Wind, der mir die Haare zauste, ließ die Segel der kleinen Jachten flattern und schlagen, und in dieser unsteten Brise stachen sie durch das gekräuselte Wasser, um gegen die Wand des Beckens zu prallen oder von pummeligen Händchen gepackt und wieder hüpfend hinaus über die Wellen geschickt zu werden.
    Ich drehte meine Runde zurück über den Platz der Invaliden mit den mehr erfaßbaren Kriegstrophäen; alte Panther-Panzer und reihenweise alte Kanonenrohre, die wie Leichen gegen eine Wand gelehnt waren. Ich aß in einer kleinen verrauchten Kneipe in der Nähe der Metrostation St. Sulpice zu Mittag; man saß auf hohen Hockern an einer Theke, und die Bedienung suchte einem ein Stück rotes Fleisch aus und legte es bluttriefend auf einen Rost über einer offenen Feuergrube, die mit glühender Holzkohle gefüllt war. Das Fleisch brutzelte direkt vor den Augen des Gastes, während dieser seinen Aperitif trank und Bescheid sagte, wenn er das Gefühl hatte, daß das Fleisch gut sei. Sie nahmen meins immer wieder vom Rost und wollten es servieren, und jedesmal sagte ich: »Non non, un peu plus… s’il vous plait.«
    Der Mann neben mir verzehrte seins roh, aus der Mitte trat noch Blut aus. Nach einigen Jahren Zugehörigkeit zum Kontakt gewöhnt man sich an so etwas, aber ich war trotzdem überrascht, daß ich dort sitzen und das ertragen konnte, besonders nach dem Mahnmal. Ich kenne sehr viele Leute, die allein bei dem Gedanken daran schon aus dem Häuschen geraten wären. Wenn ich es mir recht überlege, mußte es bestimmt einige Millionen Vegetarier auf der Erde geben, die gleichermaßen angeekelt gewesen wären (ob sie wohl unser in Bottichen gezogenes Fleisch essen würde, frage ich mich).
    Der schwarze Rost über der Holzkohlengrube erinnerte mich ständig an die Gitter in der Gedenkstätte, aber ich hielt einfach den Kopf gesenkt und aß mein Gericht, oder zumindest das meiste davon. Ich trank auch ein paar Gläser roten Landwein, den ich auf mich wirken ließ, und als ich mit der Mahlzeit fertig war, fühlte ich mich einigermaßen wiederhergestellt und ziemlich mit meiner Umgebung im Einklang. Ich erinnerte mich sogar ans Zahlen, ohne dazu aufgefordert zu werden (ich glaube, man gewöhnt sich kaum jemals an das Kaufen von Dingen), und spazierte hinaus in den hellen Sonnenschein. Ich ging wieder zurück zu Linters Wohnung, wobei ich mir unterwegs Schaufenster und Gebäude anschaute und versuchte, auf der Straße nicht überfahren zu werden. Ich kaufte mir eine Zeitung, um zu sehen, was unsere arglosen Gastgeber für berichtenswerte Nachrichten hielten. Es ging ums Öl. Jimmy Carter versuchte, die Amerikaner zu überreden, weniger Benzin zu verbrauchen, und die Norweger hatten eine Bohrturm-Explosion in der Nordsee erlitten. Das Schiff hatte beide Themen in

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