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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Ort noch so bleibt, wie er jetzt ist? Zehn Jahre? Zwanzig? Begreifen Sie nicht, wie sehr sich dieser Ort verändern muß… Und zwar im äußersten Fall innerhalb des nächsten Jahrhunderts? Wir sind so sehr daran gewöhnt, daß die Dinge so bleiben, wie sie sind, daß die gesellschaftlichen und technologischen Verhältnisse – zumindest was die kurzfristig verfügbare Technologie betrifft – sich während unserer Lebensspanne kaum verändern, daß ich nicht glaube, daß irgend jemand von uns lange mit den Bedingungen hier fertigwerden könnte. Ich bin überzeugt davon, daß sie Ihnen viel mehr zu schaffen machen werden als den Eingeborenen. Die Menschen sind an Veränderungen gewöhnt, an schnellebige Verhältnisse. Na gut, Ihnen gefällt der Zustand, wie er jetzt ist, aber was geschieht später? Wenn nun das Jahr 2077 so verschieden ist von heute, wie heute von 1877? Vielleicht ist dies das Ende eines Goldenen Zeitalters, ob es nun zu einem weiteren Weltkrieg kommt oder nicht. Welche Aussichten hat Ihrer Meinung nach der Westen, den Status quo der Dritten Welt aufrechtzuerhalten? Ich prophezeie Ihnen, gegen Ende des Jahrhunderts werden Sie sich einsam und ängstlich fühlen und sich fragen, warum man Sie verlassen hat, und Sie werden der sentimentalste Nostalgiker weit und breit sein, denn Sie werden sich besser erinnern als alle anderen, und Sie werden sich an nichts anderes vor der jetzigen Zeit erinnern.«
    Er stand nur da und sah mich an. Der Fernsehbildschirm zeigte Ballettszenen in Schwarzweiß, anschließend folgte ein Interview; zwei weiße Männer, die irgendwie amerikanisch aussahen (in einem verschwommenen Bild, das nach US-Standard aussah); danach eine Quiz-Sendung, dann eine Marionetten-Show, wieder in Schwarzweiß. Man konnte die Fäden sehen. Linter nahm seine Brille ab und legte sie auf den Granittisch, dann ging er zur Stereoanlage und schaltete das Tonband ein. Ich fragte mich, mit welchem kleinen Beweisstück planetarischer Leistungsfähigkeit ich verwöhnt werden sollte.
    Das Bild auf dem Fernsehschirm blieb für eine Weile auf einem Programm stehen. Es wirkte irgendwie vertraut; ich war sicher, daß ich es schon mal gesehen hatte. Ein Schauspiel; letztes Jahrhundert…, von einem amerikanischen Schriftsteller, aber… (Linter ging wieder zu seinem Sessel, während die Musik einsetzte; die Vier Jahreszeiten).
    Henry James. Die Gesandten. Es war eine TV-Produktion, die ich während meines Aufenthalts in London im BBC gesehen hatte…, oder vielleicht sendete das Schiff einfach eine Wiederholung. Ich konnte mich nicht erinnern. An was ich mich erinnerte, waren der Ausgang des Stückes und die Kulisse, und beides erschien mir so sehr zu meiner kleinen Szene mit Linter zu passen, daß mir allmählich der Verdacht kam, das Ungeheuer da oben könnte alles beobachten. Bestimmt tat es das, wenn ich es mir recht überlegte. Und es hatte wenig Sinn, nach irgend etwas zu suchen; das Schiff konnte so kleine Wanzen herstellen, daß das größte Problem hinsichtlich der Stabilität der Kamera die Brownsche Bewegung war. War das Werk Die Gesandten also ein Zeichen von ihm? Wie auch immer; das Stück wurde von einem Werbespot für Geruchsvertilger abgelöst.
    »Ich habe Ihnen ja gesagt« – Linter unterbrach meine Grübelei mit leisen Worten –, »daß ich bereit bin, meinem Schicksal ins Auge zu sehen. Glauben Sie, ich hätte mir das alles nicht schon vorher viele Male durch den Kopf gehen lassen? Dies ist keine überstürzte Entscheidung, Sma; ich hatte dieses Gefühl zwar vom ersten Tag an, aber ich ließ Monate vergehen, bevor ich etwas sagte, um mir ganz sicher zu sein. Es ist das, wonach ich mein ganzes Leben lang gesucht, was ich mir immer gewünscht habe. Ich habe immer gewußt, daß ich keine Zweifel hätte, wenn ich es finden würde, und so war es.« Er schüttelte den Kopf; traurig, wie mir schien. »Ich bleibe hier, Sma.«
    Ich hielt den Mund. Ich vermutete, daß er trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen nicht darüber nachgedacht hatte, wie sehr sich der Planet im Laufe seiner wahrscheinlich langen Lebensspanne verändern würde; und es gab noch viele andere Dinge, auf die hinzuweisen war, aber ich wollte keinen zu heftigen Druck ausüben und nicht zu sehr drängen. Ich lümmelte mich auf der Couch entspannt hin und zuckte die Achseln. »Jedenfalls wissen wir nicht genau, was das Schiff vorhat, wie seine Entscheidung ausfallen wird.«
    Er nickte, nahm einen Briefbeschwerer von dem Granittisch

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