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Ein Geschenk der Kultur

Ein Geschenk der Kultur

Titel: Ein Geschenk der Kultur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Li wechselt seine Farben schneller, als die in Rekordzeit durchgeführte Reparatur eines AKE dauert.«
    »Es gibt natürlich und natürlich«, sagte Li. »Ich bin zivilisiert natürlich, und andere sind barbarisch natürlich, deshalb sollte ich mich so natürlich wie möglich benehmen, und die anderen sollten das um jeden Preis vermeiden. Aber wir schweifen vom Thema ab. Ich will darauf hinaus, daß Sma ein bestimmtes psychologisches Problem hat, und ich glaube, da ich die einzige Person an Bord dieser Maschine bin, die sich für Freudsche Analyse interessiert, bin ich derjenige, der ihr helfen sollte.«
    »Das ist unglaublich liebenswürdig von dir«, versicherte ich Li.
    »Nicht die Spur.« Li winkte mit einer Handbewegung ab. Offenbar hatte er die meisten seiner Wassertropfen in unsere Richtung gespritzt, denn allmählich schwebte er weg von uns, auf das entfernte Ende der AG-Halle zu.
    »Freud!« schnaubte Roghres verächtlich, etwas high durch den Genuß von Jumble.
    »Heidin!« schalt Li sie, und seine Augen verengten sich. »Ich nehme an, deine Helden sind Marx und Lenin.«
    »Um Himmels willen, nein; ich persönlich bin eine Anhängerin von Adam Smith«, murmelte Roghres. Sie fing an, in der Luft Purzelbäume zu schlagen und sich langsam abwechselnd wie ein Fetus zusammenzukringeln und wie ein Adler zu entfalten.
    »Quatsch!« geiferte Li (buchstäblich, aber ich sah es kommen und wich aus).
    »Li, du bist eindeutig der geilste Typ auf diesem Schiff«, erklärte Tagm. »Du bist derjenige, der eine Analyse braucht. Diese Sexbesessenheit, das ist doch nicht…«
    »Ich soll sexbesessen sein?« empörte sich Li, wobei er sich mit einem Daumen in die Brust bohrte und den Kopf in den Nacken warf. »HA! Hört mal gut zu!« Er richtete sich in einer Stellung ein, die auf der Erde als Lotussitz durchgegangen wäre, wenn es einen Boden zum Draufsitzen gegeben hätte, und stemmte eine Hand in die Hüfte, während er mit der anderen irgendwohin nach rechts deutete. »Das sind die Sexbesessenen. Wißt ihr, wie viele Ausdrücke allein die englische Sprache für ›Schwanz‹ hat? Oder für ›Möse‹? Hunderte; Aberhunderte.Und wie viele haben wir? Jeweils einen, sowohl im – – – * Wortschatz als auch zur anatomischen Bestimmung. Keins davon ist ein unanständiges Wort. Und ich tue nichts anderes, als bereitwillig zuzugeben, daß ich das eine ins andere stecken will. Ich tue meine Bereitschaft, meinen Wunsch und mein Interesse kund. Was ist daran schlecht?«
    »Soweit gar nichts«, erwiderte ich ihm. »Doch es gibt einen Punkt, an dem Interesse zur Besessenheit wird, und ich glaube, die meisten Leute betrachten Besessenheit als etwas Schlechtes, weil sie geringere Vielseitigkeit, geringere Anpassungsfähigkeit mit sich bringt.«
    Li, der immer noch langsam von uns weg schwebte, nickte heftig. »Ich möchte euch nur eins sagen; es ist die Besessenheit von Anpassungsfähigkeit und Vielseitigkeit, die diese sogenannte Kultur so langweilig macht.«
    »Li hat während deiner Abwesenheit eine Langeweile-Gesellschaft ins Leben gerufen«, erklärte Tagm und lächelte mich an. »Bisher ist ihr aber sonst noch niemand beigetreten.«
    »Sie hat sich sehr gut angelassen«, bestätigte Li. »Ich habe den Namen übrigens in Anödungs-Bund geändert. Ja, die Langeweile ist eine unterschätzte Facette der Existenz in unserer Pseudo-Zivilisation. Während ich anfangs dachte, es könnte für die Leute interessant sein, interessant im Sinne der Langeweile, sich zusammenzufinden, wenn sie besonders gelangweilt sind, erkenne ich jetzt, daß es ein zutiefst bewegendes und überaus durchschnittliches Erlebnis ist, absolut gar nichts zu tun, und das ganz für sich allein.«
    »Und du glaubst, wir können in dieser Hinsicht viel von der Erde lernen?« fragte Tagm, dann drehte sie sich um und sagte zur nächsten Wand: »Schiff, würdest du bitte die Luft auf mittlere Stärke stellen, ja?«
    »Die Erde ist ein durch und durch langweiliger Planet«, sagte Li ernst, während vom einen Ende der Halle die Luft in unsere Richtung strömte und am anderen angesaugt wurde. Wir bewegten uns in der Brise.
    »Die Erde? Langweilig?« sagte ich. Das Wasser auf meiner Haut trocknete allmählich.
    »Was ist der Sinn eines Planeten, auf dem man kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann, ohne über jemanden zu stolpern, der einen anderen tötet oder etwas malt oder Musik macht oder die Grenzen der Wissenschaft verschiebt oder gefoltert wird oder sich selbst

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