Ein Geschenk der Kultur
gegen Eritrea zu kämpfen. Lanyares wohnte früher mal auf einer Plattform, wo er und seine Kumpel Soldatenspiele trieben und dabei echte kinetische Munition benutzten. Ich erinnere mich, daß ich angewidert war, als ich davon hörte; selbst mit einer bereitstehenden medizinischen Versorgungseinrichtung und einer kompletten Ausstattung an Narkotika-Drüsen hörte sich das ziemlich abartig an, und als ich erfuhr, daß sie keinerlei Maßnahmen trafen, um ihre Köpfe zu schützen, kam ich zu dem Schluß, daß diese Kerle verrückt sein mußten. Ihre Gehirne konnten in der Landschaft verspritzt werden. Sie konnten sterben!
Doch sie genossen die Angst, nehme ich an. Soviel ich weiß, ist das bei einigen Leuten der Fall.
Jedenfalls ließ Lanyares das Schiff wissen, daß er an einem echten Kampf teilnehmen wollte. Das Schiff versuchte, ihm diese fixe Idee auszureden, was ihm aber nicht gelang, also schickte es ihn nach Äthiopien. Per Satellit blieb es ihm auf der Spur und verfolgte ihn mit einem Aufklärungsflugkörper, bereit, ihn jederzeit zurückzugrapschen, falls er schwer verwundet würde. Nach einigem Hin und Her und nachdem es Lanyares Erlaubnis eingeholt hatte, brachte das Schiff das Bild, das einer der ihn verfolgenden Flugkörper lieferte, auf einen allgemein zugänglichen Sendekanal, damit jedermann zusehen konnte. Das erschien mir als eine noch größere Geschmacklosigkeit.
Es dauerte nicht lang. Nach ungefähr zehn Tagen hatte Lanyares die Nase voll, weil nicht viel geschah, und er ließ sich wieder aufs Schiff zurückholen. Die Unannehmlichkeiten störten ihn nicht, behauptete er, tatsächlich konnte man sogar in einem masochistischen Sinn einen gewissen Gefallen daran finden, und mit Sicherheit erschien einem danach das Leben an Bord des Schiffes reizvoller. Aber alles andere war so entsetzlich langweilig gewesen. Eine richtig schöne Klirr-Peng-Schlacht auf einer Plattformlandschaft, die eigens für diesen Zweck gestaltet war, machte entschieden mehr Spaß. Das Schiff erklärte ihm, daß er albern sei, und verfrachtete ihn nach Rio de Janeiro, damit er wieder zu einem guterzogenen Kulturgeier würde. Ich meine, es hätte ihn nach Kambodscha schicken können, so verändert, daß er kambodschanisch aussah, mitten hineingeworfen in das Gemetzel des Jahres Null. Irgendwie hatte ich jedoch das Gefühl, daß das nicht ganz den Wünschen Lanyares entsprach.
Ich reiste während der Zeit, in der ich nicht auf der Willkür war, noch durch andere Gegenden Großbritanniens, Ostdeutschlands und Österreichs. Das Schiff versuchte es ein paar Tage lang mit mir in Pretoria, doch ich hielt es nicht aus; wenn ich gleich zu Anfang dorthin geschickt worden wäre, hätte es mir vielleicht nichts ausgemacht, aber nach neun Monaten Erde waren möglicherweise sogar meine Kultur-Nerven etwas mitgenommen, und das Land der Separaten Entwicklung war einfach zuviel für mich. Ich erkundigte mich ein paarmal beim Schiff nach Linter, erhielt jedoch lediglich die nichtssagende Allzweck-Antwort Nummer 63a oder so, so daß ich nach einer Weile nicht mehr fragte.
»Was ist Schönheit?«
»Ach Schiff, wirklich!«
»Nein, ich meine es ernst. Wir haben hier eine Auseinandersetzung darüber.«
Ich stand in Frankfurt am Main auf einer Fußgängerhängebrücke über den Fluß und sprach über mein Terminal mit dem Schiff. Einige Leute sahen mich im Vorbeigehen befremdet an, aber ich halte keine Lust, mir etwas daraus zu machen.
»Also gut. Schönheit ist etwas, das vergeht, sobald man versucht, es zu definieren.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß du das tatsächlich glaubst. Sei ernst.«
»Hör zu, Schiff, ich weiß schon, worum die Auseinandersetzung geht. Ich glaube, es gibt etwas, so schwierig es auch zu definieren sein mag, das alles Schöne gemein hat und das durch kein einziges anderes Wort beschrieben werden kann, ohne mehr zu verundeutlichen als zu klären. Du glaubst, daß die Schönheit in der Nützlichkeit liegt.«
»Nun, mehr oder weniger.«
»Wo ist also die Nützlichkeit der Erde?«
»Ihre Nützlichkeit liegt darin, daß sie eine lebendige Maschine ist. Sie zwingt die Menschen, zu agieren und zu reagieren. Damit kommt sie den theoretischen Grenzen der Leistungsfähigkeit eines nichtbewußten System sehr nahe.«
»Du hörst dich an wie Linter. Eine lebendige Maschine – in der Tat.«
»Linter hat nicht auf der gesamten Linie unrecht, aber er gleicht jemandem, der einen verletzten Vogel gefunden hat und ihn
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