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Ein Geschenk von Tiffany

Ein Geschenk von Tiffany

Titel: Ein Geschenk von Tiffany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swan Karen
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Ohne es zu wollen, folgten ihre Augen dem schmalen Pfad seiner Brusthaare nach oben, über seinen Waschbrettbauch, bis sie sich V-förmig ausfächerten. An dieser Stelle begann sich, wie sie zu ihrem Entsetzen bemerkte, ein Bluterguss zu bilden, der genau dem Abdruck einer New Yorker Mülltonne entsprach.
    »Das ist meine Schuld«, quiekte sie und zeigte hilflos auf den Schaden.
    »Allerdings«, knurrte der Mann, zog sein T-Shirt wieder runter und hob zum ersten Mal den Kopf, um sie mit kalten Augen zu mustern. »Was zum Teufel haben Sie sich – Cassie!«
    Cassie zuckte überrascht zurück. »Henry!«
    »Ich fass es nicht!«, rief er, seinen Ärger vollkommen vergessend. »Was machst du denn hier? Außer Wildfremden ein Bein zu stellen?«
    Cassie half ihm lachend auf. »Ach, du weißt schon …«, begann sie, doch dann wusste sie auf einmal nicht mehr weiter. Es war das erste Mal, dass jemand sie das fragte, das erste Mal seit der Party. Das erste Mal, dass jemand, der sie und Gil kannte, das fragte … und es traf sie vollkommen unvorbereitet. Zu jedem anderen der neunzehn Millionen Fremden im Großraum New York hätte sie sagen können, sie sei gerade erst hergezogen, habe einen neuen Job und wohne bei einer Freundin. Aber Henry kannte sie. Er kannte Gil. Er war da gewesen, an dem Abend, als sie ihn kennenlernte. Er hatte sie an dem Abend geküsst …
    »Ich … ich …« Hilflos sah sie zu ihm auf, unfähig, die Lähmung abzuschütteln, die sie davon abhielt, ihm irgendwelche Ausreden aufzutischen.
    Henry starrte sie zunehmend besorgt an. Cassie spürte, wie sie in Panik geriet.
    »Ist Gil denn nicht da?«
    Cassie konnte nur den Kopf schütteln. Aber das reichte; als ihre Augen sich mit Tränen füllten, nahm er sie in die Arme und hielt sie fest, während sie sich ausweinte. Die Geräusche der Stadt rückten in weite Ferne, und sie fühlte sich einen Moment lang wieder sicher, so wie früher – vor der Zeit mit Gil. »Das tut mir so leid«, hörte sie ihn sagen, und die Worte drangen dunkel vibrierend aus seiner Brust, an der ihr Ohr ruhte.
    »Du musst entschuldigen«, schniefte sie schließlich, »das alles ist noch ziemlich frisch.« Sie wich ein wenig zurück, um ihn sich genauer anschauen zu können. Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte – Suzys kleinen Bruder –, war er achtzehn gewesen, mit einem abscheulichen Haarschnitt und einer linkischen Figur, da er einen Wachstumsschub hinter sich gebracht hatte, der ihn innerhalb von zwei Jahren um dreißig Zentimeter größer werden ließ. Mit seinen beeindruckenden eins zweiundneunzig war er jetzt alles andere als klein zu nennen. Wer hätte ahnen können, dass er mal so umwerfend aussehen würde? Aus der Bohnenstange war ein Athlet geworden, mit einem saloppen Haarschnitt, dessen Fransen ihm fast bis zu den Augen reichten, klugen, durchdringend blauen Augen. Sie hatte bei ihm schon immer den Eindruck gehabt, dass er mehr sah als die meisten Menschen. Wenn er ein Supermann wäre, ausgestattet mit Superkräften, dann sicher mit dem Röntgenblick. Ihr Wunsch dagegen war es immer gewesen, sich unsichtbar machen zu können.
    »Hast du Kelly gesehen?«, wollte er wissen.
    »Ja. Ich wohne sogar bei ihr, jedenfalls für die nächsten paar Monate, bis ich … du weißt schon, bis ich wieder auf die Beine gekommen bin.«
    »Verstehe … Kelly ist ein guter Kerl.«
    »Ja, ich bin so froh, dass ich sie habe. Ich hätte nicht gewusst, was ich sonst …« Sie brach ab und biss sich auf die Lippen. Sie musste sich wirklich besser zusammenreißen. »Entschuldige … Sport macht mich immer ein bisschen hysterisch.«
    Er lachte.
    »Und du? Was bringt dich hierher? Wohnst du jetzt auch in Manhattan?« Besser, wenn sie die Fragen stellte.
    »Nein, nein. Das Stadtleben liegt mir nicht.«
    »Ach ja, stimmt.« Mit einem Lächeln erinnerte sie sich an früher, wie Henry damals war: Immer kletterte er auf Bäume, rauf und runter, das reinste Äffchen. »Du und Bäume.«
    Er nickte. »Und Eis.«
    »Eis?«
    »Und Dschungel.«
    »Dschungel?«
    »Und Berge.«
    »Berge?«
    »Und manchmal sogar der Meeresgrund.«
    »Du lieber Himmel! Was machst du denn beruflich?«
    »Na ja, es gibt genau genommen keine Berufsbezeichnung für das, was ich mache. Freiberuflicher Entdecker kommt vielleicht hin. Oder botanischer Kopfgeldjäger.«
    »Wie bitte?!« Sie hatte Banker vermutet, oder Buchhalter oder so was.
    »Ich suche in den unwirtlichsten Gegenden der Erde nach seltenen Spezies – im

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