Ein Geschenk zum Verlieben
fest.
Sie trat zurück und bewunderte ihr Werk. Es waren hübsche sandgraue Fliesen, eingelegt mit Seesternen und Muscheln wie Fossilien. Laura hatte sie vor der Werkstatt einer Künstlerin entdeckt, ein kleiner Restposten in einem Weidenkorb. Ãber dem Waschbecken sahen sie richtig hübsch aus. Erfrischend.
Morgen noch die Fugen, und dann war alles bereit für ⦠Ja, was? Die groÃe Weihnachtsüberraschung, die sie geplant hatte? Die konnte sie nun wohl vergessen.
Sie schüttelte den Kopf, verdrängte energisch jeden Gedanken an den gestrigen Abend, sonst kamen ihr bloà wieder die Tränen. Sie wollte noch einen kleinen Christbaum kaufen, nahm sie sich vor, am besten einen in einem Topf. Und noch mal beim Baumarkt vorbeischauen. Sie brauchte noch Garderobenhaken und Weidenkörbe zur Ablage.
Sie schlüpfte in Steppjacke und Gummistiefel und schloss die Hütte hinter sich ab. Das dunkle Taubengrau, das sie für den AuÃenanstrich gewählt hatte, machte sich gut mit den vanillegelben Fensterrahmen und der gelben Veranda. Innerhalb von drei kurzen Wochen war »Urchin« von einer der schäbigsten zu einer der charmantesten Hütten am ganzen Strand geworden.
Es hatte zu regnen angefangen. Sie ging rasch über den Sand zur aufgewühlten Wasserkante hinunter und schlug dort ihren Heimweg ein. Das Meer war heute anthrazitgrau und schaumgekrönt. Darüber lag ein flüssig goldener Abendhimmel, über den, majestätisch wie Galeonen, schwere dunkelgraue Wolken zogen. Ihre metallgraue Umgebung rief ihr die Kette, an der sie arbeitete, in Erinnerung â sie vergaà sie ohnehin höchstens für kurze Zeit. Sie war gestern Abend in ihre Werkstatt geflohen und hatte ganze sechs Stunden daran gearbeitet. Gegen zwei Uhr morgens war sie schlieÃlich erschöpft auf dem Sofa eingeschlafen.
Arbeit war das beste Heilmittel, das wusste sie. Reden war ohnehin Zeitverschwendung, das hatte sie schon vor langer Zeit gelernt. Das Leben ging weiter â sie hatte schon Schlimmeres überstanden. Sie wusste genau, was zu tun war. Wenn sie morgen zu ihrem Interview mit Olive nach Surrey fuhr, würde Gary, der Schlosser, vorbeikommen und das Schloss auswechseln. Dann wäre sie immerhin vor Ãberraschungsbesuchen von Jack oder Fee in ihrer Werkstatt sicher. Beide hatten bereits versucht, sie anzurufen. Vor allem Fee hatte dem Anrufbeantworter mehrmals tränenreich ihre Unschuld beteuert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Fee den Mut fand, persönlich vorbeizukommen und sich Lauras heiligem Zorn zu stellen. Laura hingegen war genauso fest entschlossen, ihr keine Gelegenheit dazu zu geben. Die Stille zwischen ihnen sollte langsam wachsen, von Tag zu Tag dicker werden wie eine Eisschicht. Es gab nichts zu sagen. Jack und Fee waren die einzige Familie, die sie noch gehabt hatte. Und nun hatte sie auch sie verloren.
Gesprächen konnte sie ausweichen, ihren Gedanken aber nicht. Und die sprangen sie immer wieder ungebeten an, während sie erhitzte, lötete, zurechtbog und hämmerte. Das Glück einer anderen in Gold fasste. Wie lange ging das schon mit den beiden? Wie lange wollten sie sie schon loswerden? Und wer hatte den ersten Schritt gemacht?
Laura schaute aufs Meer hinaus, auf das der Regen wie mit Nadelstichen niederprasselte. Sie fühlte sich wie betäubt und voller Trotz. Immerhin gab es so einiges, was an ihrer neugewonnenen Freiheit schätzenswert war: sich um ein Uhr morgens noch ein Fertiggericht in der Mikrowelle warm machen zu können; AC/DC vom iPod löschen und aus voller Kehle Florence-&-the-Machine-Songs mitsingen.
Auch mit der Arbeit ging es jetzt rasend schnell voran. Kittys und Orlandos Charms waren bereits fertig, die von Sam und Alex beinahe. Nur Robs fehlte noch unter denen, die sie bereits interviewt hatte. Der Vormittag auf dem Gletscher war diesbezüglich überraschend ergiebig gewesen â sie glaubte nicht, dass er sich in einer anderen Umgebung ähnlich geöffnet hätte. Dennoch schob sie die Arbeiten an seinem Anhänger noch vor sich her. Mit seinem Charm anzufangen hieÃe, sich mit ihm zu befassen, an ihn zu denken â genau das, was sie im Moment nicht wollte. Aber Cat hatte schon in einer Woche Geburtstag. Lange lieà es sich nicht mehr verschieben.
Als sie das Watt durchquerte, um zu ihrem Studio zu gelangen, reichte ihr das Wasser bereits bis zwei Zentimeter unter den
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