Ein Geschenk zum Verlieben
Schlafanzug und Gummistiefeln hinausgelassen, manchmal sogar noch abends vorm Schlafengehen. An einem Abend haben wir ein Schneckenhaus gefunden, es lag da, an der Wasserkante, als hätte es nur auf uns gewartet. Es war von der gröÃten Wasserschnecke, die wir je gesehen hatten. So was haben die Leute manchmal im Badezimmer stehen. Zur Dekoration.« Sie schnaubte. »Wir sind damit zur Pension zurückgelaufen, aber Mutter hat uns verboten, es mit ins Haus zu nehmen. Im Innern des Schneckenhauses verrottete irgendwas, ein fürchterlicher Gestank, ich kannâs immer noch riechen.« Sie schnitt eine Grimasse. »Cat war sich sicher, dass sich das mit einem Haushaltsreiniger oder mit Spülmittel entfernen lässt. Sie kann ganz schön hartnäckig sein, meine Schwester. Wir haben es tagelang versucht, haben ein Giftzeug nach dem anderen reingegossen, ohne Erfolg. Unmöglich, das Schneckenhaus so, wie es war, mit nach Hause zu nehmen, der Gestank wäre zu viel gewesen.«
»Was haben Sie dann gemacht? Haben Sie es wieder ins Meer geworfen?«
»Nein. Die Pension hatte einen kleinen Gartenteich. Dort haben wir es reingelegt. Wir dachten immer, wir würden eines Tages wieder zurückkommen und es dann sicher nach Hause schmuggeln. Es war unser kleines Geheimnis.«
»Und, haben Sie?«
Olive warf ihr einen kühlen Blick zu. »Natürlich nicht.«
»Vielleicht ist es immer noch dort.«
»Das bezweifle ich sehr. Die Pensionswirte haben es wahrscheinlich schon wenige Tage später wieder ins Meer geworfen.«
»Ja, aber wenn sie nichts davon wussten â¦Â«, schlug Laura vor.
»Selbst dann. Heutzutage gibt es doch so viele Sicherheits- und Hygienevorschriften, wenn man eine Pension führen will, dieser Teich ist sicher längst trockengelegt worden.«
Olive schien fest entschlossen, diesen Traum zu löschen. »Und haben Sie sonst noch irgendwelche fantastischen Entdeckungen gemacht?«
»Ja. Wir haben in einem Gezeitentümpel, gleich hinter unserer Lieblingsbucht, eine Spinnenkrabbe gefunden. Sie war einfach riesig â so groà wie ein Suppenteller. Ich übertreibe nicht«, fügte sie streng hinzu. »Unweit davon gab es ein Strandcafé, und jemand hat gesagt, er wird den Inhabern von dieser Krabbe erzählen, davon lieÃen sich jede Menge Krabben-Sandwichs machen. Also haben Cat und ich die Krabbe den ganzen Tag lang bewacht. Wir hatten zu viel Angst, um sie anzufassen. Aber wir haben uns abwechselnd ins knietiefe, eiskalte Wasser gestellt, um sie vor den Leuten zu beschützen. Bis die Flut kam und sie wieder ins Meer gespült hat.«
Ein zufriedener Gesichtsausdruck breitete sich auf ihren Zügen aus, ihre Hände auf den Armlehnen öffneten sich wie Blütenblätter. »Das war ein schöner Tag. Es war das erste Mal, dass wir ein Team waren, Hand in Hand gearbeitet haben. Es war das erste Mal, dass ich begriff, was es heiÃt, eine Schwester zu haben.«
»Es hat Sie einander nähergebracht«, bemerkte Laura optimistisch.
Aber diese Bemerkung schien Olive aus ihrer Versunkenheit zu reiÃen, zurück auf den Boden der Realität zu stellen. Sie zog scharf die Luft ein. »Unsinn. Dieser Tag war eine Ausnahme. Nichts änderte sich.« Schon waren die Jalousien wieder unten.
Eine Zeit lang war das Knacken des Feuers das einzige Geräusch im Raum. Laura überlegte fieberhaft, wie sie Olive noch einmal aus der Reserve locken könnte. Bis jetzt hatte sie ein Pony namens Truffle, ein stinkendes Schneckenhaus und eine Spinnenkrabbe â groÃartige Bilder, viel mehr, als sie sich je zu erhoffen gewagt hätte. Diese Geschichten lieÃen sich wirklich gut in Charms umsetzen. Aber war das wirklich schon alles â die einzigen Ãberbleibsel einer Kindheit?
»Fallen Ihnen vielleicht noch andere, ähnliche Geschichten ein, die Ihre Beziehung zueinander verdeutlichen könnten? Das würde mir sehr weiterhelfen.«
»Ich fürchte nein«, sagte Olive, ohne eine Spur von Bedauern.
Ein, zwei Minuten lang herrschte weiter Schweigen. Laura nippte verlegen an ihrem Kaffee. Er war so heiÃ, dass sie sich die Lippen verbrannte.
»Warâs das? Sind wir fertig?«, sagte Olive, durch das Schweigen ermutigt. Sie erhob sich.
»Ãhm ⦠ja, gut«, stammelte Laura, schaltete ihr Aufnahmegerät ab und erhob sich ebenfalls. »Sie waren sehr
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