Ein Geschenk zum Verlieben
nicht eingestellt, damit konnte ich ihr hohes Gehalt nicht rechtfertigen.«
Laura drückte auf Stopp. Ihr war etwas eingefallen, das in den Ereignissen des gestrigen Abends untergegangen war: Cat hatte Ben Jackson weisgemacht, sie würde noch immer in Mins Galerie arbeiten. Die Lüge war ihr leicht und vollkommen mühelos über die Lippen gekommen. Laura hatte es zu der Zeit Cats Stolz zugeschrieben. Aber es war eine Sache, vor einem fast Fremden das Gesicht wahren zu wollen. Aber den eigenen Ehemann anlügen? Es war nicht so, dass sie das Geld gebraucht hätten. Laura biss sich nachdenklich auf die Lippe. Cat belog ihren Mann â aus welchen Gründen auch immer. Das war die einzige Erklärung dafür, dass Rob nicht wusste, dass seine Frau längst entlassen worden war. Er hätte Min sonst nie in die Anhängersammlung aufgenommen. Cat und Min waren weder Freundinnen noch Arbeitskollegen, ja hatten keinerlei Kontakt mehr. Sie schaltete das Gerät wieder an.
»Ich sehe sie oft in dieser Gegend, aber sie kommt nie herein â¦Â«
Sie schaltete wieder aus. Laura schwirrte der Kopf. Zu viele und zu wenige Informationen. Sie wusste, dass Cat, was ihren Job betraf, log. Aber sie wusste nicht, warum. Sie wusste, dass Cat immer noch jede Woche in die Gegend um Holland Park kam, aber nicht, warum. Und sie wusste, dass Cat ihren Mann schon seit zwei Jahren belog. Seit zwei Jahren! Aber warum?
Sie wurde am nächsten Morgen ganz früh vom alten Graureiher geweckt, der mit klatschenden Flügelschlägen dicht an ihrem Fenster vorbeiflog. Sie hatte bis spät in die Nacht gearbeitet. Ihr Körper war immer noch auf Hyperdrive, ihre Gedanken kreiselten ständig um das, was noch zu tun war. Sie schlug die Augen auf. Aber heute war nichts mehr zu tun. Jedenfalls nicht mehr an der Kette. Sie war fertig.
Laura streckte den Arm unter der Decke hervor und nahm die Kette vom Sofatisch. Melodisch klirrend wie ein Windspiel, schlugen die Anhänger aneinander. Sie hielt die Kette stolz hoch. Sie war einfach wunderschön, selbst ohne die emotionalen Bezüge in jedem einzelnen der Charms. Sie hatte sich selbst übertroffen â zumindest was die handwerkliche Seite betraf. Jede Frau, selbst die glamouröse Cat Blake, würde eine solche Kette mit Stolz tragen.
Sie strich über jeden einzelnen Anhänger. Sie hatte es wieder einmal geschafft, das Leben eines Menschen in Schmuck einzufangen, ein Memento für immer. Es war kein perfektes Leben, keineswegs, auch wenn viele Leute es als ein solches betrachten würden. Die Empfängerin der Kette war verwöhnt, selbstsüchtig und fehlerhaft, aber auch freundlich und auÃerordentlich groÃzügig. Eine vielschichtige Frau, eine, die sich nicht in eine Schublade stecken lieÃ. Ein glatt polierter facettenreicher Diamant, grob geschliffen durch bescheidene Anfänge. Eine Ehefrau, Schwester, erste groÃe Liebe, Freundin â in keiner dieser Eigenschaften fehlerfrei, aber wer hatte behauptet, dass man das sein musste? Sie wurde von all den Menschen, die in diesen Anhängern repräsentiert waren, geliebt. Laura mochte nicht alle Antworten in Bezug auf Cat herausgefunden haben, aber wer besaà diese schon? Wer kannte einen anderen Menschen schon in all seiner Vollständigkeit? Und hatte man überhaupt das Recht, jemanden so gut zu kennen? All seine Träume, seine Geheimnisse, seine Vergangenheit?
Nein. Sie hatte ihren Auftrag erfüllt. Nach bestem Wissen und Gewissen. Mit all den Informationen, die sie erlangen konnte. Jeder Anhänger war ehrlich und wahrhaftig â selbst Mins. Sie hatte sich das Interview gestern immer wieder angehört. Und schlieÃlich, nachdem ihr Kopf klarer, ihre Gemütslage ausgeglichener geworden war, nachdem die letzten Reste der Droge aus ihrem System verschwunden waren, war ihr der Gedanke gekommen, dass Rob vielleicht gar nicht gewollt hatte, dass sie Cats persönliche Beziehung zu Min in dem Anhänger wiedergab. Sondern vielmehr ihren professionellen Erfolg, die von ihr auf die Beine gestellte Ausstellung der Bilder von Ben Jackson.
Laura betrachtete den Anhänger, der Rob repräsentierte: ein kleiner Kompass mit einer roten Nadel. Ihr war schon im Flugzeug klar geworden, dass das sein Anhänger werden würde, so wie er über seine wunderschöne Frau redete. Cat war, in den Worten von Auden, sein Norden, sein Süden, sein Osten
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