Ein Geschenk zum Verlieben
und sein Westen. Sein Alles.
Sie drückte die Kette an ihr Herz. Die Anhänger fühlten sich an ihrer Haut an wie kleine Knöchel. Sie musste gegen die Tränen ankämpfen. Sie selbst hatte jeden verloren, für den sie einst das Ein und Alles gewesen war. Jetzt bedeutete sie niemandem mehr etwas.
Rasch, fast trotzig zog sie sich an, ihre Einsamkeit in Aktion umsetzend. Es war noch nicht mal acht Uhr, aber Jack und Arthur würden jetzt, wie immer vor dem Frühstück, ihren Morgenspaziergang machen, und das Haus würde leer sein. Falls Fee nicht wieder bis mittags schlief. Sie besaà noch immer die Schlafgewohnheiten eines Teenagers. Doch Laura wollte das so schnell wie möglich hinter sich bringen, ohne Streit und zornige Vorwürfe. Jack und Fee â falls sie sich überhaupt darum scherten, was sie machte und wo sie war â würden sehen, dass Dolly nicht an ihrem Platz in der Garage stand. Was sie wohl glaubten, wo sie war? Sie hatte ja weder Freunde noch Familie, bei denen sie Unterschlupf finden konnte, wie die beiden sehr genau wussten. Jedenfalls keine Freunde, die sie kannten. Ob Fee es sich zusammengereimt hatte? Sie war eifersüchtig genug auf Kitty gewesen.
Es war glatt auf dem Treidelpfad. Der Schneeregen von gestern hatte alles mit Eis überzogen, die Schlammpfützen waren zugefroren. Laura setzte vorsichtig einen Fuà vor den anderen. Unweit von ihr klatschte das braune Meerwasser an den Pfad. Sie hatte mittlerweile ein Gespür für die Gezeiten entwickelt und wusste, dass ihr weniger als zwei Stunden Zeit blieben, um wieder in die Werkstatt zurückzugelangen, bevor der Wasserstand eine Ãberquerung unmöglich machte.
Das Städtchen schlummerte noch. Es war Sonntag, die Geschäfte machten, wenn überhaupt, erst später auf als sonst. In den Gassen standen überquellende Mülltonnen, die am Montagmorgen von der örtlichen Müllabfuhr geleert wurden. Laura blieb kurz vorm Schaufenster der »Dorothy Perkins«-Boutique stehen. Im Fenster hing immer noch die fransige Rockprinzessinnenjacke, die sie als Weihnachtsgeschenk für Fee im Auge gehabt hatte. Sie hätte ihr fabelhaft gestanden.
Zitternd vor Kälte ging sie weiter. Sie hatte weder Schal noch Mütze und nahm sich vor, auch das einzupacken. Sie holte ihr Handy hervor und rief sich ein Taxi, das sie in einer halben Stunde vor dem Haus abholen sollte. Sie würde einfach zu viel zu schleppen haben, um den Weg zu Fuà machen zu können. Das Taxi konnte sie immerhin bis zum Beginn des Treidelpfads fahren, und den restlichen Weg würde sie dann schon schaffen.
Sie blieb kurz stehen, nachdem sie in die Pudding Street eingebogen war. Die schneebedeckten Reetdächer sahen so hübsch aus â wie schneebedeckte Wimpern. Die weià gekalkten Wände wirkten im Vergleich zum Schnee fast grünlich. Alle Erkerfenster â und jedes Cottage besaà ein solches â waren weihnachtlich geschmückt, in einigen standen Weihnachtsbäume. Nur ihre eigene rote Haustür war nackt, kein Weihnachtskranz hing über dem altmodischen Türklopfer.
Laura schaute zum Schlafzimmerfenster hinauf. Die Vorhänge waren zurückgezogen, und vom Flur fiel mattes Licht herein. Soweit sie sehen konnte, war jedoch keinerlei Bewegung auszumachen. Trotzdem wartete sie zehn Minuten lang, auch wenn sie sich zunehmend dumm vorkam, so vor ihrem eigenen Haus herumzulungern. SchlieÃlich fasste sie sich ein Herz und presste das Ohr an die Tür. Nichts. Sie bückte sich und schaute durch den Briefkastenschlitz. Alles, was sie sehen konnte, war ihr Regenmantel am Haken, darunter ihre roten Gummistiefel. Daneben hing Jacks hellbrauner Dufflecoat, darunter standen seine Timberlands. Arthurs Leine â die ihren eigenen Haken hatte â fehlte. Die beiden waren also aus, so wie sie vermutet hatte.
Rasch schloss sie die Tür auf und machte sie so leise wie möglich wieder hinter sich zu. Vielleicht schlief Fee ja doch oben. Leise schlich sie die Treppe hinauf, spähte mit klopfendem Herzen ins Schlafzimmer. Niemand. Es war leer.
Sie lieà sich erleichtert an den Türstock sinken, schaute sich in ihrem ehemaligen Schlafzimmer um. Ja, sie hatte jetzt schon das Gefühl, dass es nicht mehr das ihre war. Als würde sie sich in einem Haus umsehen, das zum Verkauf stand. Fast hatte sie ein schlechtes Gewissen, kam sich wie ein Voyeur vor, der in
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