Ein Geschenk zum Verlieben
Joes unfreundlichem Benehmen wollte sie diese Sache hinter sich bringen.
»Ich dachte, wir könnten es auf dem Weg zu Samuels Musikgruppe machen.« Kitty trocknete sich schmunzelnd die Hände ab.
»Wie bitte?«, fragte Laura verblüfft.
»Kleinkindermusik. In einer halben Stunde. Na ja, eher Katzenmusik â ein halbes Dutzend Dreijährige, die mit Zimbeln aufeinander einschlagen. Die reinste Hölle, aber es ist ein schöner Weg dorthin, da kann ich Ihnen gleich das Dorf zeigen. Und wir können reden. Kommen Sie.«
8. Kapitel
D er alte Teil von Ottersbrook war viel hübscher als die neue Siedlung am Stadtrand, wie Laura bemerkte. Kirche, Grundschule und Rathaus drängten sich im Zentrum zusammen, dazwischen kleine gewundene Gassen und malerische Cottages mit Reetdächern, die direkt an der StraÃe standen und ihre Erkerfenster und Hausecken wie spitze Ellbogen herausstreckten.
Kitty â in Next-Jeans und einer blauen Sherpa-Flauschweste â schob Samuel auf einem alten Raleigh-Dreirad vor sich her. Wahrscheinlich ebenfalls ein Erbstück aus ihrer Kindheit, wie Laura vermutete. Kitty hatte eine halbe Packung Feuchttücher verbraucht, um Samuels Gesicht sauber zu bekommen â die orange Färbung stammte von einem SüÃkartoffelbrei. Zu ihrem Schrecken hatte Kitty sie anschlieÃend ganz unbekümmert gebeten, Samuel festzuschnallen, sie müsse nur noch schnell aufs Klo. Der kleine Racker schien Lauras Unsicherheit im Umgang mit Kleinkindern zu spüren, machte sich steif wie ein Brett und brüllte, bis seine Lippen blau anliefen.
»Kennen Sie Cat dann also aus den Krabbelkursen?«, erkundigte sich Laura jetzt ein wenig ungeduldig. Diese sich in die Länge ziehende, bühnenreife Art, an die notwendigen Informationen zu gelangen, ging ihr allmählich auf die Nerven.
»Ja, so könnte manâs ausdrücken«, antwortete Kitty, wie immer mit einem Strahlen. »Nur, wir waren die Babys. Ich kenne Cat, seit ich mich selbst kenne. Sie ist meine älteste und allerbeste Freundin auf der Welt.«
Laura schaute zu Kitty, als die sich bückte, um die Spielzeuglokomotive wieder aufzuheben, die Samuel gerade in eine penibel gestutzte Ligusterhecke gepfeffert hatte. Sie lebte in demselben Haus, in dem sie aufgewachsen war, hatte ihren Schulfreund geheiratet, ihre älteste Freundin war noch immer ihre beste Freundin ⦠sie erschien Laura wie ein Ãberbleibsel aus einer vergangenen Zeit. Einer Zeit, in der man sich noch Briefe schrieb und nicht Textnachrichten über Twitter sendete, in der Freunde gewöhnlich aus der Umgebung und der Schulzeit stammten und nicht aus der globalen Facebook-Community.
»Cat und ihre Mutter sind in ein benachbartes Cottage eingezogen, als sie fünf war«, fuhr Kitty fort, »und wir waren sofort unzertrennlich. Sie ist nur vier Tage älter als ich, wir haben alle unsere Geburtstage zusammen gefeiert. Als wir in die Schule kamen, sollten wir ursprünglich in getrennte Klassen kommen, aber wir haben uns so lange an den Händen gehalten, bis sie uns zusammengesetzt haben. In der Pause haben wir immer je einen Schuh getauscht und sind dann Arm in Arm auf dem Pausenhof rumgelaufen, ich mit einem von ihr an und sie mit einem von mir â¦Â« Kitty schüttelte lachend den Kopf.
»Ihr scheint ja fast so was wie Schwestern gewesen zu sein«, bemerkte Laura.
»Mehr als das. Zwillinge. Siamesische Zwillinge. Manchmal wusste ich nicht mehr, wo ich aufhörte und sie anfing. Wenn sie einen Satz begann â ich konnte ihn zu Ende sprechen. Ich wusste immer, was sie gerade denkt. Die Leute reden bei Zwillingen von Gedankenübertragung und übersinnlicher Wahrnehmung, aber wir hatten das auch. Die anderen â Lehrer, Klassenkameraden, sogar unsere Mütter â fanden das fast ein bisschen unheimlich.« Sie schaute Laura an. »Raten Sie mal, wie sie uns genannt haben.«
Laura zuckte ratlos mit den Schultern.
»Kommen Sie, raten Sie schon!«
Laura schaute sie verständnislos an. Woher sollte sie so etwas wissen?
»KitCat«, antwortete Kitty schmunzelnd. »Oder Kitty Cat. âºPuss, puss, Kitty Catâ¹, hat zum Beispiel jemand gerufen, und dann kamen wir angelaufen und taten, als ob wir Kätzchen sind, und haben uns die Pfoten geleckt.« Wieder schüttelte sie den Kopf bei der Erinnerung. »Und Dad ist total sauer
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