Ein Geschenk zum Verlieben
würde gerne Orlando Morelli sprechen«, sagte Laura, nachdem sie dem Lieferanten mitfühlend hinterhergeschaut hatte.
»Haben Sie einen Termin?«
»Ja.«
Die Rezeptionistin vergewisserte sich auf ihrem Bildschirm. »Wenn Sie bitte kurz warten könnten, er hat noch mit seinen Zumba-Ladys zu tun. Darf ich fragen, wie Sie heiÃen?«
»Laura Cunningham.«
»Ah ja.« Sie drückte auf Senden und wies mit einer Kopfbewegung auf ein weiÃes Chesterfield-Ledersofa. »Wenn Sie einen Augenblick Platz nehmen würden. Er wird gleich da sein.«
Laura ging zum Sofa und setzte sich. Aus den verglasten Trainingsräumen, die die Lobby umsäumten â alle in Regenbogenfarben getönt â, drangen gedämpfte, gegeneinander ankämpfende Bässe. In den rosarot und gelb gehaltenen Studios, wo Frauen in den unmöglichsten Stellungen verrenkt herumlagen, schien es entspannt abzulaufen, bei Klängen, die an den Gesang von Walen erinnerten. Aus den grünen und blauen Räumen dagegen drangen Klänge, als ob dort illegale Rave-Orgien stattfinden würden. Laura fühlte sich von keiner dieser Optionen angesprochen. Neben ihr lag ein verlassenes iPad, auf dem eine Vogue-Werbung zu sehen war: eine junge Frau, die sich an einen Elefanten schmiegte. Ihre stark geschminkten Augen lieÃen Laura vermuten, dass es eine Werbung für Augen-Make-up sei.
Nachdem sie ein paar Minuten lang überfordert mit dem iPad herumgeklickt hatte, spürte sie, dass jemand sie anstarrte, und hob den Kopf. An der Rezeption stand ein muskulöser Mann in marineblauen Shorts und einem offenbar sündhaft teuren grauen, hautengen Trainings-T-Shirt. Er schaute interessiert zu ihr herüber. Laura starrte zurück, nicht weil sie noch nie ein richtig teures T-Shirt gesehen hatte â hatte sie tatsächlich noch nicht â, sondern weil sie schon aus fünfzig Fuà Entfernung erkennen konnte, dass sie sich unmöglich als Begleiterin dieses Mannes hätte ausgeben können. Was hatte sich Rob Blake bloà dabei gedacht? War er blind?
»Laura?«
Er kam mit federnden, sportlichen Schritten auf sie zu. Laura erhob sich.
»Orlando Morelli. Freut mich.« Seine Aussprache war ebenso hart wie seine Muskeln, die Worte purzelten hervor wie die Tremolos von einem Notenblatt.
»Freut mich auch.«
»Sie möchten mit mir über Cat reden.«
»Ja«, stammelte sie, abgelenkt von seinem verdammt guten Aussehen. Er hatte eine Nase, auf der man Rom hätte erbauen können, dazu einen Unterkiefer, so kantig, jedes Winkeleisen war dagegen runder. Er sah aus und verhielt sich wie ein aus Marmor gemeiÃelter Apollo, wie sie noch nie einem begegnet war. Hundertprozentig war er schwul.
»Kommen Sie mit in mein Büro, da können wir ungestörter reden.«
Er führte sie an den vibrierenden Glaskuben vorbei zu einer Treppe. Vorbei an einer Schar Frauen auf Standfahrrädern, die strampelten, als ob der leibhaftige Teufel hinter ihnen her wäre.
»Machen Sie das auch? Spinning?«, erkundigte sich Orlando, der ihrem Blick gefolgt war. Sie erklommen die gläserne Treppe.
»Nur, wenn ich von einem wahnsinnigen Serienkiller verfolgt werde.«
»Haha, der ist gut.« Vor ihnen tauchte ein riesiger Fitnessraum auf, der sich über die gesamte Breite des Gebäudes spannte, mit Laufbändern, elliptischen Walkern, Hanteln in allen GröÃen, Vibrationsplatten, fast alle Stationen waren belegt. Die Glaswand dieses Raums war gelb getönt.
»Warum dieses unterschiedlich getönte Glas?«, erkundigte sich Laura.
»Es beeinflusst die Stimmung und so den Energiepegel. Für die Räume, in denen die physisch anspruchsvollsten Ãbungen stattfinden wie Spinning und Zumba, benutzen wir kühlere Töne. Warme rosa Töne für die Boden- und Mattenkurse wie Yoga, Pilates und Ballett, wo es vor allem auf die Körperhaltung ankommt und den Muskeltonus. Und das gelbe Glas im groÃen Fitnessraum ist sonnig, es macht glücklich, setzt Endorphine frei und energetisiert.«
Blanker Unsinn, fand Laura. Was ihre Endorphine freisetzte, war ein ordentlicher Spaziergang am Strand, mit Arthur, das machte sie glücklich. So glücklich, wie es für sie eben möglich war. »Wow«, war daher alles, was sie dazu sagen konnte.
Er führte sie durch den Korridor zum Rückteil des Gebäudes. Vor einer Mattglastür
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