Ein Gespenst auf Schatzjagd - Sherlock von Schlotterfels ; 1
Kindern bekannt.
„Guten Tag, Herr Lieven!“, sagten Max und Paula.
Frau Hagedorn wäre stolz auf die guten Manieren ihrer Schützlinge gewesen, hätte sie sehen können, wie höflich die Kinder dem Architekten die Hand reichten. Gutes Benehmen hatte Herr Lieven allerdings nicht. Sichtlich verärgert über die Unterbrechung nickte er nur und erwiderte den Händedruck kaum.
„Stellen Sie sich vor, die Kinder müssen einen Schulaufsatz über meine Familie schreiben. Ist das nicht toll? Es macht Ihnen doch hoffentlich nichts aus, wenn wir unsere Besprechung kurz unterbrechen. Dann kann ich den beiden ein paar Fragen beantworten.“
Amedeo Lieven schleuderte seinen Stift auf den Tisch und knurrte: „Sie sind der Boss.“
Er griff nach der Kaffeekanne und füllte seine Tasse auf.
Auf der Terrasse breitete Nepomuk von Au stolz die Arme aus. „Das hier ist genau die richtige Umgebung für unser Gespräch!“
Paula und Max schnappten nach Luft. Sie standen in einem Irrgarten aus Säulen. Von jeder Säule schaute ein steinerner Kopf herab.
„Willkommen im Kreise meiner Ahnen!“, sagte Nepomuk überschwänglich. „Jede dieser Büsten stellt einen meiner bedeutenden Vorfahren dar. Ich lasse sie nur von berühmten Künstlern modellieren.“
Leise vor sich hin summend führte der Herzog seine immer noch staunenden Gäste durch den Säulengarten. Dabei tätschelte er liebevoll den einen oder anderen Steinkopf. Paula stieß Max an und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. Max nickte.
„Nehmt Platz!“ Der Herzog deutete auf eine schmiedeeiserne Bank, die von Säulen umringt war. Er selbst setzte sich auf einen der Stühle gegenüber.
„Ihr habt euch ja ganz schön was vorgenommen! Ein Aufsatz über so eine alte Familie bedeutet viel Arbeit. Aber da haltet ihr es scheinbar ganz mit meinem Urahn Roderich Herzog von Au. ‚Immer nach den Sternen greifen!‘ Ja, ja, das war seine Devise.“
„Wir haben uns einige Fragen überlegt“, tastete Max sich langsam vor. „Als Erstes wollen wir wissen, wie alt ihre Familie genau ist.“ Wie ein richtiger Reporter zog er Stift und Notizbuch aus der Hosentasche.
Nepomuk Herzog von Au spitzte die Lippen. „Unser Stammbaum lässt sich bis ins neunte Jahrhundert zurückverfolgen.“
Max atmete geräuschvoll aus. In über eintausend Jahren hatte sich bei der Familie von Au wahrscheinlich ziemlich viel ereignet. Wenn er und Paula nicht bis Weihnachten hier sitzen wollten, musste er äußerst geschickt vorgehen und schnell auf Roderich von Au zu sprechen kommen. Allerdings durfte Nepomuk nicht auffallen, dass sie sich für alles andere gar nicht interessierten. Denn dann würde er sofort merken, dass die Geschichte mit der Projektwoche gelogen war.
Während Max sich mit seinen Fragen vorsichtig von Jahrhundert zu Jahrhundert vorarbeitete, war Paula mit den Gedanken bei Sherlock. Wo steckte der bloß? Ob ihm etwas zugestoßen war? Aber mal ehrlich, was konnte einem Gespenst schon passieren? Oder ob sie doch mal nach ihm sehen sollte? Vorsichtig schob sie ihren Stuhl zurück.
„Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?“
„Aber sicher. Ist im Korridor – zweite Tür links! Wo war ich gerade stehen geblieben? Ah ja, Hartmuthe von Au. Ihre Büste steht direkt neben dir, mein Junge …“
Als Paula das Wohnzimmer betrat, warf Amedeo Lieven ihr über den Rand einer Pferdezeitung hinweg einen schlecht gelaunten Blick zu. Er hatte die Füße auf den Tisch gelegt, wo seine Schnürschuhe Dreckspuren auf der Papierrolle hinterließen. Aber Paula hatte jetzt wirklich andere Sorgen als einen beleidigten Architekten. Sie musste Sherlock finden!
Plötzlich plumpsten die Füße des Architekten mit einem lauten Knall auf den Boden. Paula sah ihn erschrocken an. Die Zeitung war ihm aus den Händen geglitten und seine Kinnlade war heruntergeklappt wie die Ladeluke einer Autofähre. Paula folgte seinem ungläubigen Blick.
„Verdammter Mist!“, rief sie und rannte auch schon los, über die Terrasse und die Stufen hinunter in den Garten. Nepomuk von Au schwelgte gerade so sehr in Geschichten über die noblen Taten der Hartmuthe von Au, dass er nichts von der ganzen Aufregung bemerkte. Nur Max schwante nichts Gutes, als er Paula an den Säulen vorbeijagen sah.
„Freiherr von Schlotterfels! Schnell! Kommen Sie hier herüber!“ Paula kauerte hinter einem Baum und winkte dem Gespenst zu. Völlig orientierungslos torkelte und kreiselte Sherlock über die Wiese.
„Freiherr von
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