Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
habe, würde er sagen, dass ich gar nichts erreicht habe. Er würde mir befehlen, pünktlich in sechs Tagen in seinem Büro zu stehen. Das will ich aber nicht. Ich bin sicher, dass ich diesen Fall lösen werde. Doch nicht unter Zeitdruck und nur mit meinen Methoden.«
»Sie können Ihren Vorgesetzten aber doch nicht ewig ignorieren.«
»Natürlich nicht. Aber wie heißt es so schön? Eins nach dem andern. Und nun erzählen Sie mir erst einmal, was während meines unfreiwilligen Schläfchens alles passiert ist.«
Nachdem ihm Martin Barrow das Versprechen abgerungen hatte, mindestens noch bis zum Mittag im Bett zu bleiben und sich auszuruhen, war der Viehzüchter zu den Sammelkoppeln geeilt, wo das Ausmustern der Rinder bereits in vollem Gange war.
Kaum war Barrow zur Tür hinaus, stand Daryl auf und ging zum Stuhl, über dem seine Kleider hingen. Er war noch etwas wacklig auf den Beinen, aber das hatte er erwartet. Enttäuscht stellte er fest, dass Bankheft und Zeitungsausschnitt verschwunden waren. Nachdenklich kehrte er zum Bett zurück und legte sich wieder hin. Das Wildpferd in seinem Kopf trat nun erneut heftig gegen seine Schläfen, sodass er die Augen schließen musste.
Als die Schmerzen nachließen, versuchte er, sich an die letzte Seite des Bankheftes zu erinnern. Drei Einträge waren ihm aufgefallen. Schließlich gelang es ihm, sich sowohl an die Höhe dieser Einzahlungen als auch an die Monate zu erinnern, in denen sie erfolgten.
Auf den vergilbten Zeitungsausschnitt hatte er hingegen nur einen kurzen Blick werfen können. Er erinnerte sich jedoch an das Foto eines Mannes. Das Licht war zu schwach gewesen, als dass er sicher sein konnte, aber wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er in dem Bankheft ein Mordmotiv gefunden – und in dem Zeitungssauschnitt einen möglichen Mörder.
Daryl überlegte sich sein weiteres Vorgehen, dann stand er auf und zog sich an. Er wollte gerade das Zimmer verlassen, als Meena mit einem Tablett im Türrahmen stand.
»Oh, Sie sind aufgestanden«, sagte sie sichtlich überrascht.
»Ja. Fühle mich schon wieder ganz gut, sieht man von meinem angekratzten Stolz mal ab. Übrigens, der Boss hat gesagt, dass Sie mich heute Morgen gefunden und verarztet haben. Danke.«
Sie nickte. »Mr. Barrow erzählte, sie hätten jemanden auf der Station herumschleichen sehen. Haben Sie erkannt, wer es war?«
»Nein. Wie steht’s mit Ihnen?«
Meena versuchte, seinem Blick auszuweichen. »Ich habe nichts Auffälliges bemerkt.«
»Ziemlich mysteriöse Geschichte, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht war es ja einer der Stockmen«, meinte das Mischlingsmädchen wenig überzeugend. »Wie ich gehört habe, hat Poison-Joe einige von ihnen gestern Abend zu den Sammelkoppeln gefahren, damit sie alles für die Ankunft der Herde vorbereiten können. Vielleicht hatte einer Hunger und wollte sich in die Küche schleichen, um Essen zu stehlen.«
»Ziemlich unwahrscheinlich. Die Sammelkoppeln sind gut zwei Kilometer von den Farmgebäuden entfernt. Ich denke nicht, dass einem der Männer so sehr der Magen geknurrt hat, dass er sich die Mühe machen würde, im Dunkeln bis hierher zu laufen, noch dazu barfuß.« Er nahm ihr das Tablett ab und lächelte sie an. »Wie auch immer, ich bin froh, dass ich Mr. Barrow überzeugen konnte, den Vorfall vorläufig auf sich beruhen zu lassen.«
»Ja, er hat mir schon gesagt, dass ich die Sache für mich behalten soll. Wieso ist Ihnen das so wichtig?«
»Weil sonst Unruhe unter den Männern aufkommen könnte. Und ich denke, das ist das Letzte, was man während eines Viehauftriebs gebrauchen kann. Fürs Erste reicht es, dass Mr. Barrow Poison-Joe informiert hat. Der ist tagtäglich mit den Männern zusammen und kann sie vermutlich am besten im Auge behalten.«
»Vielleicht haben Sie recht.« Meena zögerte einen Moment, dann sah sie ihn mit großen Augen an. »Ich bin wirklich sehr froh, dass Sie nicht schwer verletzt wurden.«
Die Art, wie sie das sagte, berührte Daryl. Es war aufrichtig und ehrlich gemeint, kein Zweifel. Gleichzeitig klang ihre Stimme aber zutiefst verzweifelt. Für einen Augenblick hatte Daryl das Gefühl, dass sie ihm etwas anvertrauen wollte, doch dann verlor sie den Mut, wandte sich schweigend um und ging hinaus.
Die Männer waren müde und erschöpft. Tagelang hatten sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Sattel gesessen, sich ausschließlich von Brot, Fleisch und Tee ernährt und auf der nackten Erde geschlafen.
Um
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