Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
oder in Gruppen auf den Weg in den Busch machen, so ist das weder außergewöhnlich noch etwas, worüber man sich Sorgen machen müsste. Im Gegenteil. Eine solche Wanderung kann sogar eine Quelle der geistigen und körperlichen Stärkung sein.«
»Sie scheinen sich ja recht gut mit den Eingeborenen auszukennen«, meinte Poison-Joe mit einem seltsamen Blick. »Woher kommt das?«
»Ich bin in einer Aborigine Community aufgewachsen. Da kriegt man so einiges mit.«
»Das mag ja interessant sein«, unterbrach Ray sie genervt, »aber hier geht es um Meena.«
»Beruhig dich, Baby-Ray«, riet ihm der alte Farmarbeiter. »Ich weiß, du magst die Kleine. Aber ich denke, Simmons hat recht. Meena wird ihre Gründe haben, weshalb sie die Station verlassen hat. Vielleicht musst du das akzeptieren, auch wenn’s schwerfällt.«
»Darum geht es doch gar nicht! Ihr wollt es einfach nicht begreifen. Meena ist nicht freiwillig gegangen.« Er strich sich mit einer hilflosen Geste durch das rote Haar. »Jedenfalls nicht so, wie ihr euch das vorstellt.«
Poison-Joe und Daryl sahen Ray fragend an, doch der schwieg.
14
A ls Daryl am Morgen den Hubschrauber startete, flog er zunächst über die Viehkoppeln, wo ein Teil der Männer schon seit Sonnenaufgang damit beschäftigt war, die fetten Ochsen auszusondern und in das Hauptgehege zu treiben, in dem sie bis zum Abtransport in die Schlachthäuser bleiben würden. Dicht daneben lag eine weitere Umzäunung, in der die Kälber und einjährigen Tiere auf ihre Markierung warteten, ehe sie wieder freigelassen wurden.
Er erkannte Poison-Joe, der ihm mit seinem Hut zuwinkte, und auch Murgura, der gerade einem gefleckten Kalb mit einem glühenden Eisen das Brandzeichen aufdrückte.
In einem weiten Bogen schwenkte Daryl nach Nordwesten, überflog einen der Suchtrupps, dann steuerte er die Bell 47G in Richtung Kalumburu. Ihm war klar, dass es eigentlich sinnlos war, aus der Luft nach Meena zu suchen. Sie hatte sich versteckt. Er hatte es weder Ray noch Martin Barrow gesagt, aber er war sicher, die Eingeborenen wussten, wo sie sich aufhielt. Ebenso sicher war er, dass sie einen großen Bogen um diesen Ort machen würden.
Für die Aborigines war Meenas Verschwinden eine interne Angelegenheit, die keinen Weißen etwas anging. Aus diesem Grund war es besser, Barrow und vor allem Ray in dem Glauben zu lassen, die Eingeborenen würden tatsächlich nach ihr suchen. Das gab ihm die Möglichkeit, Meena ausfindig zu machen und mit ihr zu reden, ohne dass ihm jemand in die Quere kam. Daryl war sich sicher, dass es ihr im Augenblick gut ging, doch das konnte sich schnell ändern. Er musste sie finden. Aus diesem Grund war es notwendig, nochmals mit Pater O’Donnell zu sprechen.
Als er in dessen verwilderten Garten trat, erwartete ihn der rundliche Mann bereits.
»Dachte mir schon, dass Sie das sind«, begrüßte ihn O’Donnell mit einem herzlichen Händedruck. »Freut mich, dass Sie mir mein Blech-Engelchen heil zurückbringen.« Er führte ihn wieder in sein Wohnzimmer, wo er erst einen Stapel Landkarten wegräumen musste, ehe er Daryl einen Stuhl anbieten konnte. »Bin gerade dabei, die heiligen Stätten der Torres-Straßen-Insulaner auf den Karten einzuzeichnen. Seit die Kimberleys bei Touristen immer populärer werden, kommen auch immer mehr Bootstouristen in diese Gewässer. Inzwischen wurden auf den vorgelagerten Inseln schon einige heilige Plätze der Ureinwohner von Vandalen zerstört oder Schädel aus Begräbnishöhlen gestohlen. Indem ich die Stätten auf den Karten markiere, können die Behörden sie besser überwachen.« Er zwängte sich hinter den Schreibtisch und ließ sich in seinen Sessel plumpsen. »Aber das interessiert Sie vermutlich nur am Rande. Was haben Sie diesmal auf dem Herzen?«
Daryl berichtete O’Donnell in aller Kürze von Meenas Brief und ihrem überstürzten Aufbruch. Weshalb sie seiner Meinung nach die Station verlassen hatte, verschwieg er. Stattdessen betonte er, dass ihr Leben auf dem Spiel stand, wenn er sie nicht möglichst bald fand. Der Pater hörte schweigend zu. Immer wieder strich er mit den Fingern durch seinen Bart, als würde ihm das beim Nachdenken helfen.
Als Daryl schließlich geendet hatte, nickte er. »Sie haben eine Vermutung, wo sie ist, richtig?«
Daryl nickte. »In einer heiligen Höhle der Frauen. Ich weiß nur nicht, wo sie liegt.«
»Das wird schwierig. Ich kenne nur wenige heilige Plätze der Eingeborenenfrauen. Wie Sie
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