Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
ließ er den Rinderfarmer stehen und folgte Ray Hill zu den Unterkünften.
Auf Rays Bett lag ein geöffneter Rucksack, in den er gerade einige Kleider und seinen Schlafsack stopfte.
»Hier sind Sie also«, begann Daryl. »Ich dachte mir schon, dass Sie nicht warten wollen. Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, allein nach Meena zu suchen? Sie wissen doch nicht einmal, in welche Richtung sie gegangen ist. Besser, Sie warten bis morgen. Dann wird Mr. Barrow einen Suchtrupp zusammenstellen.«
»Morgen ist’s vielleicht schon zu spät.«
»Glaube ich nicht. Meena kann ganz gut auf sich selbst aufpassen. Außerdem war es ihre eigene Entscheidung, zu gehen.«
»So eine gequirlte Scheiße! Sie halten sich wohl für besonders schlau, Simmons, aber Sie haben keinen blassen Schimmer. Wenn der Boss erst morgen etwas unternehmen will, ist das seine Sache. Ich werde jedenfalls keine Zeit verplempern.«
»Allein werden Sie nichts erreichen, glauben Sie mir.«
»Was Sie glauben, Simmons, interessiert mich nicht im Geringsten.«
»Vielleicht sollte es das aber. Schließlich interessieren Sie sich ja auch sonst für alles, was auf der Station geschieht.«
Für einen Augenblick blieb Ray Hill wie angewurzelt stehen. Dann wandte er sich langsam um. »Was wollen Sie jetzt schon wieder andeuten?«, fragte er mit scharfer Stimme.
»Ich denke, das wissen Sie. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: Ich bin sicher, dass Sie etwas zu verbergen haben. Und mittlerweile bin ich mir auch ziemlich sicher, was es ist.«
Bevor Ray etwas erwidern konnte, wurde die Eingangstür aufgestoßen. Wie eine riesige Bulldogge stand Mrs. Sharp im Türrahmen. »Verdammt, die Rinder sind schon zu hören! Macht gefälligst, dass ihr wieder rüberkommt zu den Sammelkoppeln, der Boss schafft das nicht allein.«
Vor dem Abendessen hielt Martin Barrow eine Ansprache. Natürlich wussten die Männer inzwischen, dass Meena verschwunden war. Doch keiner der Eingeborenen schien sich deshalb Sorgen zu machen.
»Weiß einer von euch vielleicht, was Meena dazu veranlasst hat, die Farm so plötzlich zu verlassen?«, fragte der Viehzüchter.
Niemand sagte ein Wort. Daryl studierte möglichst unauffällig die Reaktionen der Männer, doch nur Ray und Poison-Joe ließen eine Regung erkennen.
»Na schön. Da ich nicht will, dass Meena etwas zustößt, möchte ich morgen früh drei Suchteams losschicken, die in Zweiergruppen nach ihr suchen. Simmons wird zudem versuchen, sie aus der Luft ausfindig zu machen.«
»Sechs Mann sind doch viel zu wenig«, unterbrach ihn Ray Hill.
»Mehr kann ich aber nicht einsetzen. Ich kann das Ausmustern und Brandmarken der Rinder unmöglich hinauszögern.«
»Der Boss hat recht«, stimmte ihm Poison-Joe zu. »Ich möchte auch nicht, dass Meena etwas geschieht. Aber morgen trifft bereits der erste Viehtransporter ein. Wir können die Arbeit auf der Station deswegen nicht einfach liegen lassen.«
Martin Barrow nickte. »Dann sind wir uns einig. Sprecht euch ab, wer dabei sein will, und meldet euch nachher bei mir, damit wir die morgige Suche besprechen können. Und vergesst nicht, wir brauchen vor allem Fährtensucher.«
Wie Daryl nicht anders erwartet hatte, schwiegen die Eingeborenen während des ganzen Essens.
Ray, der mit Daryl und Poison-Joe an einem separaten Tisch saß, brachte das in Rage. Wütend schob er den Teller, von dem er noch keinen Bissen gegessen hatte, beiseite. »Warum reden die nicht miteinander?«, flüsterte er seinen Tischgefährten zu. »Was ist los mit ihnen?«
»Er hat recht«, meinte der alte Stockman an Daryl gewandt. »Man könnte wirklich glauben, Meenas Verschwinden kümmert die überhaupt nicht.«
»Ich denke eher, sie halten die Suche für überflüssig«, meinte Daryl und schob sich genüsslich ein großes, saftiges Stück Fleisch in den Mund. Als er fertig gekaut und hinuntergeschluckt hatte, fügte er hinzu: »Vermutlich wissen sie, weshalb Meena davongelaufen ist, und akzeptieren es.«
Als Ray aufbegehren wollte, hob Daryl beschwichtigend die Hand. »Nicht aufregen, mein Junge. Sie werden trotzdem nach ihr suchen.«
»Was macht Sie da so sicher?«, erkundigte sich Poison-Joe.
»Weil der Boss es von ihnen verlangt. Sie selbst halten es allerdings für Zeitverschwendung.«
»Woher wollen Sie das alles so genau wissen?«
»Ganz einfach. Die Aborigines wanderten schon vor über vierzigtausend Jahren durch dieses Land. Für sie hat die Wildnis nichts Bedrohliches. Wenn sie sich allein
Weitere Kostenlose Bücher