Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
aber ich denke, er wird es packen. Und wie geht es Ihnen?«
»Gut. Was soll die Frage?«
»Ich dachte nur wegen dem Tod ihres Neffen …«
Mrs. Sharp zögerte einen Augenblick. »Das mag jetzt vielleicht herzlos klingen, aber meine Schwester und ich hatten keinen sehr engen Kontakt. Eine Karte zu Geburtstagen oder Weihnachten, das war eigentlich alles. Bruce und ich standen uns daher nicht sehr nahe. Das lag wohl auch daran, dass wir uns hier auf der Station zum ersten Mal begegnet sind. Selbstverständlich finde ich es tragisch, dass er sich umgebracht hat, vor allem für meine Schwester. Ich frage mich oft, was ihn dazu bewogen hat. Doch letzten Endes geht das Leben weiter, und was geschehen ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen.«
Daryl nickte verständnisvoll. Mrs. Sharp war keine gefühlskalte Person. Sie war lediglich aus einem besonderen Holz geschnitzt. Nur solche Menschen konnten hier draußen bestehen.
Eine Weile schwiegen sie, dann schüttelte die Köchin nachdenklich den Kopf. »Schaumschläger, Pilot, Rodeoreiter, Viehtreiber und Arzt – was sind Sie eigentlich noch, Simmons?«
»Ein verdammt guter Zuhörer – wenn Sie einen brauchen sollten.«
»Wie kommen Sie drauf, dass ich Ihnen etwas erzählen will?«
»Nur so ein Gefühl.«
»Vielleicht stimmt ja was mit Ihren Gefühlen nicht.«
»Oder Sie haben Angst.«
»Sie müssen wohl immer das letzte Wort haben, was?«
Daryl zuckte mit den Schultern. »Ich hab doch recht, oder?«
»Verdammt, was wollen Sie eigentlich?«
»Klarstellen, dass Sie mit mir reden können, wenn Sie das wollen. Dasselbe habe ich Meena angeboten. Aber leider hat sie mir nicht vertraut.«
»Wieso sollte ich es dann?«
»Meena ist verschwunden, und Ihr Neffe ist tot«, antwortete Daryl trocken. »Haben Sie eine andere Wahl?«
»Moment mal, Simmons!« Daryl sah im Rückspiegel, wie Mrs. Sharps eng beieinanderliegenden Augen misstrauisch funkelten. »Was wissen Sie?«
»Dass Meena schwanger ist und dass dies – und möglicherweise auch noch etwas anderes – sie schwer belastet. So schwer, dass sie offenbar keinen anderen Weg mehr gesehen hat, als die Farm zu verlassen.«
Die Köchin warf ihm einen kurzen, durchdringenden Blick zu. »Wie haben Sie es herausbekommen?«
»War nicht weiter schwer. Ihr war in den letzten Wochen mehrmals schwindlig und übel. Außerdem trägt sie nur noch weite Kleider, von denen einige eindeutig viel zu warm für diese Jahreszeit sind.«
»Also gut«, sagte Mrs. Sharp bestimmt, »ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß. Aber ich warne Sie: Falls Sie auch nur ein Wort von dem, was ich Ihnen jetzt sage, weitererzählen, ergeht es Ihnen wie dem verwilderten Bullen, klar?«
Die Pilatus PC-12 des Royal Flying Doctor Service stieg steil in den kobaltblauen Himmel. Daryl und Martin Barrow sahen zu, wie sie nach Westen abdrehte und rasch kleiner wurde. Als sie schließlich zu einem winzigen, weißen Punkt geschrumpft war, wandten sie sich ab und gingen zum Wagen.
»Was jetzt?«, fragte der Rinderzüchter mit sorgenvoller Miene. »Wo sollen wir mit der Suche nach Meena beginnen?«
»Ich wünschte, ich wüsste es. Sie sagten, dass Sie sie gestern Abend zum letzten Mal gesehen haben?«
»Genau. Sie brachte mir wie üblich das Abendessen. Heute Morgen, als sie nicht zur üblichen Zeit mit dem Frühstück erschien, ging ich nachsehen und stellte fest, dass sie weg war.«
»Und sie hat keine Nachricht hinterlassen?«
»Nein, nichts. Weder in der Küche noch in ihrem Zimmer. Meena war immer sehr zuverlässig. Daher dachte ich erst, ihr sei vielleicht etwas zugestoßen. Dann, als ich sie nirgendwo auf der Station fand, nahm ich an, dass sie weggefahren sei. Doch keins der Fahrzeuge fehlte. Ich mache mir wirklich Sorgen. Würde es mir nicht verzeihen, wenn ihr etwas passiert sein sollte.«
»Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht und zu lange gewartet«, meinte Daryl stirnrunzelnd.
»Was meinen Sie damit?«
»Dass ich damit hätte rechnen müssen, dass so etwas passiert.«
Martin Barrow blieb stehen. Er zog eine Schachtel Streichhölzer sowie seine gestopfte Pfeife aus der Tasche und zündete sie sich an. »Sie reden wieder mal in Rätseln.«
»Tut mir leid. Es ist nur so, dass ich mir inzwischen ziemlich sicher bin, wie Floyd Buttler ums Leben gekommen ist.«
»Tatsächlich? Nun bin ich aber platt. Erzählen Sie’s mir?«
»Haben Sie noch ein paar Tage Geduld. Dann erfahren Sie alles. Doch jetzt sollten wir uns erst
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