Ein Girl zum Pferde stehlen
dass es keine lästigen Zeugen gibt, die mir irgendwelche Schwierigkeiten machen können.« Er griff nach den Zügeln. »Beim Teufel könnt ihr mich meinetwegen gerne anschwärzen. Ihr hättet dann nämlich schon bald die Gelegenheit dazu, ihn persönlich kennenzulernen. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.« Die erschrockene Miene seines Gegenübers ließ ihn ein weiteres Mal auflachen. Er lachte noch immer, als er die Zügel herumriss und davon galoppierte.
»Heilige Scheiße.« Ripleys Stirn war von Sorgenfalten durchfurcht, als sein Blick langsam zurück zu den grasenden Pferden wanderte. »So wie es aussieht, müssen wir schleunigst etwas unternehmen, sonst geht es uns an den Kragen …«
***
Als Bruce Cranston die beiden Reiter bemerkt hatte, die sich der Herde näherten, hatte er sofort nach seinem Spencer Karabiner gegriffen. Nachdem er erkannte, dass es sich bei einem davon um seinen Freund handelte, senkte er den Lauf zwar nach unten, hielt die Waffe aber immer noch fest gepackt.
»Wer ist das, Gus?«, rief er ihm zu, als sie auf Hörweite herangekommen waren. »Was hat er hier zu suchen?« Er beäugte den Begleiter seines Kompagnons mit unverhohlenem Misstrauen.
»Ich habe ihn in White Bird kennengelernt«, entgegnete Bailey, als sie ihre Pferde bei ihm zum Stehen brachten. »Kurz bevor uns der Sheriff der Stadt verwiesen hat.«
»Wie bitte?« Cranston glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Meine Fresse, was ist denn passiert, dass es soweit kommen konnte?«
»Auf dem Markt dort hat es ordentlich geknallt«, entgegnete Lassiter mit einem Schulterzucken. »Das hat dem Gentleman mit dem Stern an der Brust nicht gepasst. Auch wenn wir ihm erklärt haben, dass im Grunde genommen alles nur ein Missverständnis war.«
»Na ja, vielleicht ist es sogar besser so. Meine rechte Hand fühlt sich zwar immer noch an, als hätte ein Maultier dagegen getreten«, Bailey ballte und spreizte die Finger mehrmals abwechselnd, »aber du hast mich auf jeden Fall mit deinem Schuss zur Vernunft gebracht. Ich war so wütend gewesen, dass ich diesem Quacksalber glatt eine Kugel verpasst hätte. Besten Dank, dass du mich daran gehindert hast.«
»War mir ein Vergnügen.« Lassiter grinste ihn an.
»Was ist eigentlich aus der Kleinen geworden, die du in die Stadt gebracht hast?«, erkundigte sich Cranston. »Als ich vorhin zur Herde zurückgekommen bin, hattest du es viel zu eilig, um mir was zu erklären. Hat sie etwas mit dem ganzen Ärger zu tun?«
»Das kann man wohl sagen.« Baileys Miene verdüsterte sich, wie die Sonne bei einem aufziehenden Sturm. »Carlotta muss da in einen ziemlichen Schlamassel rein geraten sein. Der Gedanke, dass sie bei diesem windigen Wunderheiler und der schwarzgekleideten Natter ist, gefällt mir überhaupt nicht.«
»Du bist also immer noch der Meinung, dass das keine abgekartete Sache war, sondern die Lady wirklich in der Klemme steckt?«
»Davon bin ich felsenfest überzeugt«, entgegnete Bailey ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. »Als ich sie aufgelesen habe, ging es ihr wirklich hundeelend. Das war keine Schauspielerei. Ich würde mich ja auf die Suche nach ihr machen. Aber ich kann Bruce unmöglich für längere Zeit mit der Herde allein lassen.« Er nickte zu seinem Geschäftspartner. »Wenn die Banditen wieder auftauchen, braucht er meine volle Unterstützung. Ansonsten würde ihm das blühen, was Jimmy und Cal bereits passiert ist.«
»Sprichst du von dem Überfall, den du in der Stadt bereits erwähnt hast?« Lassiters Augenbrauen zogen sich zusammen.
»Ganz genau. Die Schweinehunde haben uns am Oakwood Lake abgepasst und aus heiterem Himmel das Feuer eröffnet. Dass uns dieser Hornochse von Sheriff das nicht abkauft, sondern die Sache selbst in die Schuhe schieben will, ist eine bodenlose Unverschämtheit.«
»Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein.« Cranston kippte die Kinnlade nach unten. »Glaubt diese Niete etwa, dass ich meinen eigenen Bruder umbringen würde? Ich dachte, er würde sich darum kümmern, dass diese Bastarde geschnappt werden.«
»Das kannst du vergessen.« Bailey winkte resigniert ab. »Ich stecke wirklich in einer Zwickmühle. Mir ist klar, dass ich bei der Herde gebraucht werde. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als Carlotta ihrem Schicksal zu überlassen. Obwohl ich mir bei diesem Gedanken vorkomme wie ein gottverdammter Feigling, der sein Girl einfach im Stich lässt.«
Lassiter hatte genug gehört. Während seiner
Weitere Kostenlose Bücher