Ein Glas voll Mord
glaube, er hat seinen Sohn dabei. Lauf hoch und zieh dir was an, schnell!«
Die Türglocke bimmelte jetzt heftig und unausgesetzt. »Ich lass ihn besser rein, bevor er die Tür eintritt. Beeil dich, Marion, ich will mit den beiden nicht alleine sein.«
Gegen Elmer hatte sie eigentlich gar nichts. Alles, was sie über ihn wusste, war, dass er in Gillys Schulklasse gewesen war und ein großes Talent zum Torwart bewiesen hatte, allerdings hatte ihn sein Vater kaum spielen lassen. In ihrem ganzen Leben hatte sie nicht mehr als ein, zwei Worte mit Elmer gewechselt. Mit dem alten Bain übrigens auch nicht. Sie öffnete die Tür einen Spalt. »Guten Morgen.«
Der alte Bain hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf. »Wo ist Miss Emery?«
»Oben. Sie zieht sich an.«
Er beachtete Janet nicht weiter, schob sie beiseite und ließ sich auf das grüne Plüschsofa mit der Lehne aus verziertem Rosenholz fallen. Elmer ging seinem Vater hinterher. Er sah entsetzlich beschämt aus und trug aus unerfindlichen Gründen einen altmodischen Koffer aus Rindsleder bei sich. Janet wusste nicht, was sie tun sollte, und setzte sich auf einen Stuhl am anderen Ende des Zimmers. Elmer blieb in der Nähe der Tür stehen. Er scharrte mit seinen enormen Stiefeln auf dem Axminsterteppich, der früher einmal rot gewesen war, er räusperte sich mehrere Male – und dann, zu Janets Überraschung, sprach er.
»Ist Gilly da?«
Seine Stimme war heiser, als würde sie nicht oft benutzt, aber nicht so krächzend wie die seines Vaters; wenn sie jemand anders gehören würde, wäre der Klang seiner Stimme vielleicht sogar angenehm. Weil er aber ein Bain war, fühlte Janet sich bemüßigt, die Frage zurückzugeben. »Warum sollte sie nicht da sein?«
Der alte Mann kicherte. Sein Sohn ignorierte das. »Geht’s ihr gut? Sie und ihr Sohn haben sich nichts getan bei dem Feuer, oder?«
Es klang, als sei er tatsächlich besorgt. Plötzlich schämte sich Janet, dass sie so feindselig gewesen war. »Nein, es ist ihnen nichts passiert, aber sie haben fast alles verloren – und jetzt ist auch noch einer der Welpen krank geworden.«
»Schnitzi hat also ihre Welpen gekriegt?«
»Ja, gestern, im Auto meines Bruders, als sie hierher gefahren sind. Ich nehme an, die Aufregung war zu viel für den Hund. Gilly wartet auf den Tierarzt.«
»Vielleicht könnte ich …«
»Hinsetzen, Elmer.«
Elmers Blick verdüsterte sich, er wurde rot und gehorchte. Alle drei saßen in verdrossenem Schweigen da, bis Marion erschien, angezogen und gekämmt. Auch sie vertat keine Zeit mit Smalltalk.
»Hören Sie, Mr. Bain, ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich bei Ihnen melde, wenn ich das Patent gefunden habe – also warum hören Sie nicht auf mit dem Gedrängel? Sie wissen doch, wir hatten einen Todesfall in der Familie.«
»Ich weiß«, antwortete er. »Ich bin kein Unmensch, Miss Emery. Ich könnt jetzt auf der Stelle Fred Olson einschalten, aber so, wie die Dinge liegen, hab ich beschlossen, Ihnen bis Ende der Woche Zeit zu geben. Und mein Sohn Elmer wird hierbleiben und aufpassen, dass Sie das Patent nicht unterschlagen.«
»Was reden Sie denn da?«, rief Marion. »Er kann nicht hierbleiben!«
»Ach, tatsächlich? Los, Elmer, such dir ein Zimmer aus und pack den Koffer aus. Na mach schon!«
Marion, auf deren Gesicht jetzt ein faszinierender Schimmer blassen Grüns lag, wandte sich an Janet. »Was soll ich machen?«
Janet zuckte die Schultern. Das Einzige, was gegen Elmer sprach, war sein Vater. »Also, ich weiß ja nicht, Marion«, antwortete sie vorsichtig, »aber eigentlich ist es doch gar keine schlechte Idee, eins der Zimmer unterzuvermieten. Das Erbe ist noch nicht ausgezahlt, Gillys Besitz ist verbrannt – da ist es doch nur allzu verständlich, dass ihr das Geld braucht.«
»Welches Geld?«, röhrte der alte Bain.
»Ihres oder seines, das ist uns egal«, sagte Janet sehr freundlich. »Sie möchten doch sicher nicht, dass man sich in der Stadt erzählt, ihr Sohn ließe sich von zwei Frauen durchfüttern? Wenn Elmer seinen Teil dazugibt und sich gut benimmt, ist er herzlich willkommen. Wenn nicht, dann kann man, wie Sie sagten, jetzt auf der Stelle Fred Olson einschalten.«
Marion reckte ihr Kinn. »Genauso ist es. Und glauben Sie bloß nicht, ich würde das nicht tun.«
»Pa, das bringt doch nichts«, stammelte Elmer, »ich will mich nirgendwo einnisten, wo ich nicht erwünscht bin.«
»Wer ist nicht erwünscht?« Gilly war im Türrahmen erschienen und
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