Ein Glas voll Mord
drüben.«
»Ja, aber es ist nicht viel wert«, sagte Janet. »Wir haben den besseren Teil. Ihrer besteht hauptsächlich aus Felsen, deswegen wurde das Herrenhaus auch so nah an der Eigentumsgrenze zu unserem Land gebaut. Es war der einzige Platz, wo sie tief genug für ein Fundament graben konnten. Überall sonst stößt man spätestens nach einem halben Meter auf Felsen. Man kann auf dem Landstück nicht bauen und nichts säen, man kann dort nicht mal Vieh weiden lassen, außer vielleicht Schafe oder Ziegen.«
»Hat es schon mal jemand versucht?«
»Vor ein paar Jahren kam ein Bauunternehmer her und wollte Mrs. Treadway ein Stück unten bei der Straße abschwatzen. Jetzt, wo wir den Highway haben, ist Pitcherville nicht mehr so weit ab vom Schuss, und viele Leute, die hier bebaubares Land besitzen, hoffen, dass sie in ein paar Jahren viel Geld damit machen können. Mrs. Treadway hätte verkauft, aber nachdem der Mann eine kleine Probegrabung versucht hatte, hat er sein Angebot zurückgezogen.«
»Und seither hatte niemand mehr Interesse?«
»Welcher Baumeister hätte Lust, sich mit unbrauchbarem Land abzugeben? Madoc, bist du sicher, dass du satt bist?«
»Ganz sicher. Warum setzt du dich nicht in den Schaukelstuhl und ruhst dich aus? Ich gebe dir eine Kostprobe davon, wie wir Detectives Geschirr waschen.«
»Kommt nicht in Frage! Du kannst abtrocknen, wenn du möchtest.«
»Ich wasche ab und du trocknest ab, dann machst du dir den Verband nicht nass.«
»Okay. Dann kann ich mit dem Geschirrtuch wegwischen, was du übersehen hast.«
»Ich übersehe nichts! Wir Mounties kriegen immer unser Fett weg.«
»Hauptsache, du kriegst es nicht auf den Anzug. Da, nimm die Schürze.«
Rhys’ Beruf hatte ihm viele Höhen und Tiefen beschert – deshalb war er sicher, dass er auch eine karierte, lavendelfarbene Schürze mit Würde zu tragen wüsste. Janet amüsierte sich über diesen Aufzug, und wer hätte ein bisschen unschuldige Heiterkeit eher verdient als diese liebe, tapfere junge Frau, die so viel durchgemacht hatte? Diese liebe, tapfere junge Frau, die nebenan gewesen war, als Mrs. Treadway einer Vergiftung erlag, diese liebe, tapfere junge Frau, die im angrenzenden Zimmer gesessen hatte, als Dr. Druffitts Schädel eingeschlagen wurde? Rhys ermahnte sich, dass Janet ebenso verdächtig war wie jeder andere, aber er hörte nicht auf sich, und das wusste er auch. Er hatte eine Schürze um, er spülte Geschirr, und er fand das alles äußerst angenehm.
Als sie mit dem Abwasch fertig waren und die Küche aufgeräumt hatten, nahm Rhys die Schürze ab und gab sie Janet. »Also, was soll’s nun sein, Verwandte oder Glühwürmchen?«
»Du bist für den Spaziergang?«
»Nur, wenn du nicht zu erschöpft bist.«
»Oh, ich glaube, bis zum See werde ich schon noch wanken können. Vielleicht tut mir die frische Luft ganz gut.«
Die Sonne hüllte sich züchtig in ein paar Wolken, bevor sie ihren Tauchgang ins Dunkel antrat. Sie schlenderten den Weg hinter dem Haus hinunter; sie sprachen nur wenig. Drüben beim Herrenhaus spielten Elmer und Bobby Fangen – eine Zeit lang hörten sie Rufe und Lachen und das Bellen eines der zahlreichen Dackel. Danach hörten sie nicht mehr viel, außer den Drosseln, die ihre Version von The Bell Song zum Besten gaben, und ein paar Krähen, die sich in einem politischen Streitgespräch ereiferten.
Der Pfad wurde unwegsamer, als es dunkler wurde. Rhys, als treuer Officer Ihrer Majestät der Queen, sah es als seine Pflicht, den Schwachen und Gebeutelten die Hand zu reichen. Die Schwache und Gebeutelte nahm seine Hilfe mit einem Lächeln an, wobei ein Grübchen sichtbar wurde, das Rhys bisher noch nicht wahrgenommen hatte. Janet Wadman musste definitiv gründlicher untersucht werden. Er fragte sich, ob sie sich über eine Interpretation von Rose Marie, I love you freuen würde. Weil er aber nicht Nelson Eddy war, sah er vernünftigerweise davon ab, doch die Hand der Schwachen und Gebeutelten hielt er weiterhin fest, so, wie Ihre Majestät es von ihm erwartete.
Der See, fand er, war durchaus einen Ausflug wert. Er hatte alles, was ein See brauchte: überhängende grüne Zweige, wunderschöne Seerosen, die sich um die malerisch knorrigen Äste gefallener Waldesriesen scharten, und zu allem Überfluss gab es sogar einen grünen Reiher, der im flachen Wasser am gegenüberliegenden Ufer fischte. Sie sahen dem großen Vogel zu, wie er sein Abendbrot fing, die kleinen Fische
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